Mein Reiseblog wird 10 Jahre alt. Dies ist der 2. Teil meines feierlichen Jubiläumsposts!
Ich würde gerne reisen & bloggen wie damals. In diesem Post erzähle ich die Geschichte weiter – von Identitätskrisen, Insta-Hotspots & lauwarmen Geheimtipps.
Reisen & Bloggen wie damals – PART II
Willkommen zum zweiten Teil meiner Trilogie! Ich hoffe, er liest sich ebenso anregend wie Teil 1, zu dem ich zustimmendes Feedback über verschiedenste Kanäle bekommen habe. Daraus schließe ich, dass ich mit meinen Beobachtungen und Meinungen nicht ganz falsch liege. Und überhaupt frage ich mich bei dieser Resonanz, warum ich 10 Jahre über das Reisen gebloggt habe und nicht über das Bloggen an sich. Wie dem auch sei: An dieser Stelle geht’s wie versprochen beschwingt weiter!

Portofino, Positano, Piran. Egal. Hauptsache man war da.
Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Portofino. In Portofino war ich kürzlich zum allerersten Mal. Ich weiß also nicht, wie es dort vor 10 oder 20 Jahren war. Portofino ist klein. Die Atmosphäre so gut inszeniert wie ein Filmplakat, aber schön. Wie ein italienischer Abklatsch von Saint-Tropez, nur teurer. Der Espresso kostet 3 Euro. Eine Kugel Eis 4. Das slowenische Piran fängt auch mit P an und hätte denselben Zweck erfüllt. Zu billigeren Preisen.
Pastellfarbene Häuschen, die sich hübsch aneinanderreihen. Das matte Sonnenlicht, das sich sanft darüberlegt. Die perfekte Insta-Kulisse. #placestoseebeforeyoudie #neverwannaleave.
Doch keiner spricht von Piran. Oder doch? Vielleicht ist die Idylle in meinem Kopf hängengeblieben, obwohl sie in Wirklichkeit gar keine mehr ist. Vor zwei Jahren habe ich noch gedacht, es wäre eine gute Idee, über Piran zu bloggen. Ein Städtchen in Slowenien, das so schön ist und doch so unbeachtet. Vielleicht habe ich der Stadt und mir selbst gar keinen Gefallen getan? Weil sich die Zeiten ändern und „kleine Fischerdörfer am Mittelmeer“ als Urlaubsdestination so begehrt geworden sind, dass sie alles sind, nur keine beschaulichen Orte mehr. Sind es wirklich Fischer, die da ihre Netze vor den Touristen zusammenflicken? Es könnten auch die Mitarbeiter des lokalen Tourismusverbands sein. Nur so ein Gedanke. Immerhin war ich schlau genug, das kleine Hotel, auf dessen Terrasse ich mich eingefunden hatte, um bei einem Aperol Spritz den wunderbaren Sonnenuntergang zu genießen, nicht zu erwähnen. Die Chancen stehen also relativ gut, dass ich zurückkehren kann, ohne mich um einen Sitzplatz zu prügeln.

Ebenso wenig erfährt man von mir auf diesem Blog von meinem Lieblingshotel, das einfach perfekt für ein schnelles Mallorca-Wochenende ist. Dabei würde es mir förmlich auf den Lippen brennen, dieses eigentlich gar nicht so fancy Hotel zu verraten, das mit idealer Lage, lockerer Atmosphäre und gerade für Alleinreisende mit einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis punktet.
Doch wo kämen wir denn da hin? Am Ende ist das Hotel ausgebucht und erhöht seine Preise, weil meine Leser – oder schlimmer: die Streuner, die Google zufällig auf meinen Blog gelotst hat – diesem Tipp auch noch folgen.
Und damit führt sich diese ganze Blogger-Idee mittlerweile ad absurdum. Weil es eben alle tun. Das Bloggen. Und alle mehr oder weniger an dieselben Plätze reisen und sie vorwiegend „schön“ dastehen lassen. Wer will schon seinen herzallerliebsten Blog mit Plastik im Meer oder Algen am Strand versauen. Ich nehme mich nicht aus. Wenn ich nicht darüber schreibe, heißt das nicht, dass mich diese Dinge nicht beschäftigen. Deshalb ja auch die Identitätskrise.

Ich bin nach einem wahrlich erquicklichen Pressetrip in 2 Luxusresorts auf den Malediven mit dem Wasserflugzeug zurück nach Malé geflogen.
Ich hab die traumhaften Atolle von oben gesehen. Allerdings auch die Müllberge auf Malé, die mir nicht den Anschein gemacht haben, als hätte man sie nur annähernd im Griff.
Ich habe Fotos vom Müll von oben gemacht. Ich habe sie nicht auf meinem Blog gepostet. Darum sollte es auf Follow Your Trolley nie gehen. Schon vor 10 Jahren nicht, als dieses Blog-Abenteuer begann. Auch wenn die Welt peu à peu den Bach runtergeht, will ich mir die Misére dieses Planeten nicht auf meine Schultern alleine laden. Follow Your Trolley ist kein Nachhaltigkeitsblog, nie gewesen, und schwimmt auch nicht „auf der veganen Welle“, wie es mir wortwörtlich schon vorgeworfen wurde. Auch dann nicht, wenn hier des Öfteren die Worte „Yoga“ und „Meditation“ vorkommen. Mit der immer noch ungewöhnlichen Themenkombi Luxusreisen & Yoga befinde ich mich auf dem Schleudersitz. Die geringe, aber dennoch lästige Kritik, habe ich meist mit einem souveränen Lächeln weggesteckt. Was wohl daran liegt, dass ich ohne Internet, Handy & Co aufgewachsen bin. Ich weiß also noch, wie sich das „echte Leben“ anfühlt und so lässt es mich als Person eher unberührt, sollte jemand da draußen mein Blogprojekt ins Visier nehmen, um sich in irgendeiner Weise abzureagieren. Und überhaupt: Ich werde mich ganz sicher nie bei irgendwelchen Social Media-Kanälen dafür entschuldigen, dass ich sie nicht in aller Regelmäßigkeit befüllt habe, weil ich „ein paar Tage off war“ oder dem „Digital Detox“ gefrönt habe. Soweit kommt’s noch.
Ja, liebe Leute, man darf Instagram 3 Tage aus den Augen verlieren, ohne Argumente aus dem Ärmel zaubern zu müssen, wie „Ich hatte so viel zu tun“ oder „ich war so viel unterwegs“. E-S I-S-T O-K!
Auch ruft die spirituelle Szene ganz gerne mal per Twitter, Instagram oder Facebook-Post dazu auf, doch weniger Zeit am Smartphone zu verbringen. Gerne auch verbunden mit einem weisen Zitat des Dalai Lama, der sich ganz sicher nicht mehr erinnern kann, diesen Satz jemals gesagt zu haben. Auf welch‘ wundersame Weise hat denn der smarte Post bitteschön ins Netz gefunden, möchte man sich da fragen, wenn der Verfasser sein Handy doch so vorbildlich beiseite gelegt hat?
Grundsätzlich wird wohl einfach zu viel geredet, geschrieben und G-E-T-E-I-L-T. „Ich hatte gerade diesen Gedanken, den ich unbedingt mit euch TEILEN muss“ tönt es ständig von irgendwelchen Yogis, Gurus und Coaches, deren Messages sich nun auch noch als eigener Video-Channel bei Instagram durch jedes Smartphone bohren. Jeder hat so unendlich wichtige Botschaften in die Welt zu tragen. Es nimmt einfach kein Ende. Es überwältigt uns, sobald wir eins dieser Wundertelefone besitzen, mit welchen wir mittlerweile alles tun außer zu telefonieren. Und wer von uns hat keines? Zero Waste? Ein Mythos und das schon seit Erfindung der Pampers-Windeln. Wer wirklich Zero Waste betreiben würde, könnte das hier gar nicht lesen!
Das Problem liegt vielleicht darin: Wir müssen eher laut schreien können, um gehört zu werden, als wirklich guten Content abzuliefern oder ehrliche Absichten zu haben.
Und da spielt es gar keine Rolle, ob es dabei um Foodblogs, Mamiblogs, Reise- oder Yogablogs geht. Nur die Fashion- und Lifestyleblogs tun sich da etwas leichter, die – #sorrynotsorry – haben sich die wenigste Mühe gemacht, etwas zu tun, das Sinn ergibt. Mussten sie ja auch nicht, weil ihnen die blinde Masse wildgewordener Mädchen jeden noch so banalen Schminktipp wie Gold aus den Händen reißt, Haare, Körperformen und Fingernägel beneidet und nicht müde wird, sich nach den Labels von Kleidern, Schuhen und Taschen zu erkundigen. Es hört selbst dann nicht auf, wenn die zum Nachhaltigkeitsblogger mutierte Spezies darauf hinweist, dass sie die begehrten Stücke vor 10 Jahren auf einem Flohmarkt in Buxtehude gekauft hat. Ja, manchmal schäme ich mich für die Heranwachsenden meines Geschlechts. Ehrlich jetzt!
Aber lassen wir das, das führt zu nichts und wird sich durch meinen Post auch nicht wesentlich verändern! Seit dem 25. Mai sehe ich Dinge jedenfalls distanzierter! Danke DSGVO! Ich und mein Blog, das muss kein unverrückbarer Bund für’s Leben sein, wenn sich die äußeren Umstände ändern. Das habe ich jetzt verstanden! Lebensabschnitts-Blogs sind das neue Schwarz.
Wenn jemand das Internet löscht, atme ich weiter. Für meine „richtigen“ Jobs brauche ich dann nur eine Schreibmaschine und eine Yogamatte und kann weitermachen wie bisher.
Vor einiger Zeit wollte ich bzw. meine reiselustige Bloggerseele unbedingt nach Dubrovnik. Mittlerweile kann man dort angeblich schon nicht mehr treten. Es sei zu hip, zu teuer geworden, längst nicht mehr das, was es mal war. Montenegro stand auf meiner Liste. Doch bevor ich den Trolley packen konnte, ist die begehrte Destination eigentlich schon wieder passé. Man soll es nur mehr im Landesinneren wirklich aushalten können. Man hätte einfach früher kommen sollen oder man lässt es ganz bleiben.
Weil sich Informationen und Bilder durch Instagram & Co schneller verbreiten als man Om sagen kann, muss man einfach schnell sein, während man in nonchalanter Multitasking-Manier die Langsamkeit predigt. #slowtravel #mindfulness
Und da es zu viele Menschen gibt, die gerne blind irgendwelchen Reisetipps folgen, muss man auch gegen den Strom schwimmen und asynchron verreisen. Nicht zu Weihnachten, nicht am Wochenende, nicht an den berühmt-berüchtigten Fenster-, Brücken oder Sonst-was-Tagen. Idealerweise an Orte, von denen niemand spricht oder die nur mittelmäßige, quadratische Motive hergeben.

Je öfter der Mensch von etwas hört, desto begeisterter wird er. Unser Gehirn liebt die Eintönigkeit und das Gewohnte. So erklären sich erfolgreiche Songs mit eingängigen Refrains und die dicht gedrängten Liegestuhlreihen an der Oberen Adria.
Wie schon gesagt: Der Mensch ist ein Rudeltier, was ihm zunehmend zum Verhängnis wird. Er kann nichts dafür, er darf dafür sein Leben lang die Steinzeit verantwortlich machen. Weil sich zwar alles ändert, nicht aber die dunklen Windungen in unserem Gehirn, zumindest nicht in den letzten Jahrtausenden.
Ich wundere mich ja, dass man weiterhin fröhlich nach Mallorca fliegen kann, ohne es zu bereuen. Vielleicht weil man das Schlimmste erwartet und dann positiv überrascht ist.
Weil man damit rechnet, dass sowieso alle dort hinfahren und man garantiert keine menschenleere Bucht entdeckt. Tut man es doch, ist das wie ein Lottogewinn am 100. Geburtstag, zu dem man auch noch fröhlich tanzen kann.

Wohin im Sommer? Ein heißer Tipp mit C
Habe ich eigentlich schon erzählt, dass ich in wenigen Tagen U-R-L-A-U-B mache? Ja, so richtig banalen Urlaub. Nicht, um darüber zu bloggen, sondern einfach nur, um möglichst faul den Sommer zu genießen. So wie damals. Der Flug ist gebucht, keine außergewöhnliche Destination, damit ich nur ja dem Drang entgehe, es allen erzählen zu wollen. Das Hotel ist dasselbe vom letzten Mal, ebenfalls nichts besonderes, damit ich es nicht posten „muss“, nur damit alle sehen, wie toll ich es getroffen habe. Hach, was werde ich mich erholen! Ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt noch kann.
Mein Instagram-Husband wider Willen wird frohlocken. Endlich muss er nicht mehr wie angewurzelt samt Gepäck im Türrahmen stehen bleiben, bis ich alle Fotos vom Hotelzimmer im Kasten habe.
Ich hätte da ja noch einen ganz heißen Tipp, von dem ich noch niemandem erzählt habe. Diesen Ort mit C wollte ich mir im Sommer eigentlich auch noch vorknöpfen. Vielleicht ist der Tipp im Herbst auch nur mehr lauwarm. Es sei dort wie in den Hamptons, nur lässiger, noch nicht so verbraucht. Ein Ort, in dem das Surfboard noch unterm Arm getragen wird und nicht einfach so aus dem Bentley hängt. So wie damals in Manhattan Beach. Südlich von L.A. Dieser Ort wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Auf eine absurde Weise schön.
Die Jungs, die sich nach dem Surfen in lässigen Bars treffen und dabei bis zur letzten Haarsträhne aussehen, als wären sie gerade aus einer Ralph Lauren Werbekampagne gefallen. Man muss solche Orte lieben. Zumindest will man sie gesehen haben.
Orte, an denen sich selbst Celebrities wie normale Menschen bewegen können, weil sie der zahnlose Fischer sowieso nicht kennt. Von den Paparazzi vorerst unbemerkt. Madonna haben sie dann doch entdeckt. Erst kürzlich erzählte mir eine Portugiesin beim Vorbeifahren an einem Haus in Sintra, dass sich Madonna hier niederlassen wollte, dann aber doch nach Lissabon gezogen ist. Ja, DIE Madonna. Ich musste nachfragen, wobei es ja im Grunde keine andere lebende Madonna gibt.
Ein bisschen stolz war ich schon darauf, dass ich dieses völlig irrelevante Ereignis verpasst habe. Ich lese nämlich keine Klatschhefte mehr. Nicht mal beim Friseur.
Zurück an diesen Ort mit C, den ich, wenn überhaupt, nur dann besuchen möchte, solange der Tipp noch heiß ist. Ist er überhaupt noch heiß, wenn er im Condé Nast Traveller Erwähnung fand? Ich denke mal, ich werde nicht die einzige Abonnentin sein. Ich denke zu viel nach. Ich denke an exotische Trauminseln, auf denen französische Weine leichter aufzutreiben sind, als eine Kokosnuss, die an der nächstbesten Palme hängt. Ich denke an Luxusrefugien mit türkisblauem Meer vor der Nase und die überflüssigen Badewannen, die verkrampft den 5 Sternen gerecht werden wollen. Ich habe es getan. Ich habe der üblichen Willkommensgeste Folge geleistet und in einer randvoll gefüllten Badewanne Platz genommen. Unter freiem Himmel bei 40 Grad Lufttemperatur. Die Rosenblätter auf Schaumkrönchen garniert, meine Kreislauftropfen am Badewannenrand. Eine schräge Erfahrung in einer verrückt-verwöhnten Welt. Ob man nun darüber schreibt oder nicht. Zumindest habe ich die 200 Liter Wasser nicht einfach ungenutzt durch den Abfluss gejagt.

Das Schlimme dabei: Es gibt diese „erfolgreichen Influencer“ (wie immer man diese seltsame Wortkombi auch bewerten mag), die nützen solche Vollbäder/Infinitypools/palmengesäumten Sandstrände/… um sich selbst zu feiern und das eher spärliche #OOTD zu präsentieren. Und keinen stört’s. Nur die, die das Weltgeschehen von vornherein etwas kritischer betrachten, müssen sich für jede zurückgelegte Flugmeile und jeden Plastikstrohhalm, der auf einem Bild auftaucht, rechtfertigen. Für alle anderen hagelt es einfach nur Lob für die schönen Haare oder den tollen Bikini-Body. Und ich weiß nicht, was ich tue, wenn mir das nächste mal eine Influencerin mit ihrem Insta-Videochannel unterkommt und 345 Millionen Followern vom schönen, weichen Material ihres neuen Polyester-Hängerchen made in Bangladesh vorschwärmt. Man kann es nicht ändern, man kann sich wohl nur aus dem Schlamassel raushalten.
Mich ginge das alles ja auch gar nichts an, wenn sich diese Influencer-Dramen, so wie Musical.ly auch, vorwiegend in den heimischen Kinderzimmern abspielen würden. Aber nein, man schickt die chronisch aufgehübschten Mädchen und ihre Drohnen-Freunde zur Date-Night in die teuersten Resorts der Welt. Und somit überschneidet sich das belanglose ‚Ich-hab-die-Haare-schön‘-Metier mit der Zunft des Reisebloggens, die an vielen Ecken und Enden leider ebenso fragwürdig erscheint.
Places to see before you die: Quinta da Regaleira
Zurück zu Madonna und Sintra. Man stelle sich vor, sie wäre tatsächlich in dieses kleine Örtchen gezogen, das ohnehin schon zu viele Touristen aushalten muss. Da fällt mir ein, von einer Sache muss ich unbedingt erzählen (oder anders ausgedrückt: „Ich muss diesen Gedanken unbedingt mit euch teilen!“): Die Quinta da Regaleira wurde mir auf Instagram schon 70.000 Mal entgegengeschleudert, bevor mich ein Yogaretreat in einem Schloss in Sintra ausgerechnet an diesen Ort führte. Und weil man schon mal da ist, will man diesen mystischen, mit Moos bewachsenen Turm ebenfalls sehen und auch fotografieren. Weil man das ja bestimmt noch besser kann als die 70.000 anderen Menschen. Und weil man zumindest mit ein bisschen Backgroundwissen dort auftaucht und zuerst durch den Tunnel geht, für dieses Erlebnis vom Dunkeln ins Licht als Symbol für das Leben nach dem Tod. Ich habe nicht mit den dutzenden Köpfen gerechnet, die zwischen jeder Steinarkade hervorschauen und sich quer über den Abgrund gegenseitig fotografieren, denn auf Instagram war von den Horden, die hier schon im April einfallen, nichts zu sehen.
Auch ich habe es letztendlich geschafft: ein Foto mit nach Hause zu nehmen, das das menschenleere Gemäuer zeigt als wäre niemand außer mir dort gewesen.
Wenigstens funktioniert ein Selfie in diesem Fall nicht. Wegen der Perspektive. Man braucht eine zweite Person, die in einer gegenüberliegenden Arkade steht oder von unten nach oben/oben nach unten fotografiert. Ja, vielleicht muss man sogar einen Fremden bitten, ein Foto zu machen – so wie damals in den 90ern, als man manchen Touristen just for fun den Kopf oder die Beine abgeschnitten hat. Ja, so war das in analogen Zeiten. So hat man sich vor der Erfindung des Internets amüsiert. Heutzutage ist man fast erschrocken, wenn man kichernd die Köpfe für ein Selfie zusammenstecken will und ein fremder Mensch wie aus dem Nichts auftaucht, um sich als Fotograf aufzudrängen. Das Foto ist vielleicht besser, aber der Spaß in der Sekunde ruiniert.
Die Quinta da Regaleira war für mich das leibhaftige Beispiel, wie Realität und das aufgeputschte Image einer Instagram-Sehenswürdigkeit auseinanderdriften können. Wäre ich nicht zufällig vorbeigekommen, hätte sich mir diese Erkenntnis gar nicht offenbart. Es dürfte mit der Bali-Swing nicht anders sein, die nur mit Blick über die grünen Reisfelder so bombastisch aussieht. Und mit den Heißluftballonen im Morgengrauen irgendwo in der Türkei, den unaussprechlichen Ort habe ich mir nicht gemerkt. Und dieser Rooftop-Infinity-Pool in Singapur. Mehr Selfiestangen als Chlortabletten. Wie heißt das Hotel doch gleich? Und dieser imposante Felsvorsprung, der in Wirklichkeit nur einen Meter vom Boden entfernt ist. Wo war der eigentlich – Neuseeland oder Brasilien? Oder ganz wo anders? Genau das ist der Punkt: Es ist völlig egal, wo dieser ach so magische Insta-Ort ist. Hauptsache man war da und hat ein Foto gemacht. Oder 397 Fotos. Sicher ist sicher.
Man kann solche Orte nicht übersehen, nicht mal, wenn man möchte. Man wird sie daran erkennen, dass die Leute dort mit ihren Selfie-Stangen und Drohnen Schlange stehen.
Die Wirklichkeit wird gar nicht so berauschend sein. Auch das ist egal. Wen interessiert schon die Wirklichkeit und der gegenwärtige Moment. Außer die Möchtegern-Gurus & schillernden Entrepreneure, die zum Bild noch einen ganz wichtigen Gedanken teilen. Wie gut, dass es so viele Menschen gibt, die wissen, wie man es richtig macht und das den anderen mit den passenden Hashtags ständig unter die Nase reiben. #beinthemoment #justbreathe #purebliss #gratitude

Man könnte nach dem Lesen dieses Beitrags einwerfen: Warum schreibt sie das alles? Das wissen wir doch längst alles. Warum regt sie sich so fürchterlich auf? Das muss der blanke Neid oder die pure Langeweile sein. Macht sie es selbst überhaupt anders oder besser?
Dem Neid muss ich ebenso widersprechen wie der Langeweile. Beides sind Dinge, die irgendwie nicht zu mir gehören. Ich gönne jedem das Allerbeste im Leben, es wäre nur schön, wenn es ein bisschen zu einer besseren, sinnvolleren Welt beitragen würde. Und Langeweile? Die hat einfach keinen Platz in meinem Leben. Ich tue nichts aus Langweile, aber fast alles aus gutem Grund. Zur letzten Frage: Nein, nicht immer. Aber ich hinterfrage das, was ich tue. In letzter Zeit besonders. Deshalb ja die Krise. Und diese Krise sehe ich überhaupt nicht negativ. Sondern sie kickt mich aus einer bequem gewordenen Bloggerblase, in der alle mehr oder weniger dasselbe tun und sich gegenseitig kritisieren oder bestaunen. Eine Krise begünstigt Veränderung und könnte sogar ein spannender Neuanfang sein.
Ob du es glaubst oder nicht: Ich schreibe diese Jubiläumsposts vor allem für mich selbst. Weil das Schreiben mein manchmal konfuses Denken in geordnete Bahnen lenkt. Und weil ich weiß, dass ich meiner Frage, wie es hier weitergehen soll, dadurch Stück für Stück näher komme.
Und deshalb schreibe ich hier und an vielen anderen Stellen. Seit 10 Jahren. Länger noch. Eigentlich schon seit Erfindung der Schulaufsätze. Die Finger blau von der Tinte. Weil es befreiend ist, weil es Klarheit schafft.
Weil der Kopf endlich Ruhe gibt, weil sich das Gedachte in Buchstaben manifestiert und im besten Fall sogar noch andere bestärkt und etwas bewegen kann. Das Feedback auf meinen ersten Jubiläumspost spricht Bände. Es ist intensiver, echter und direkter als die Kommentare, die ich für all die Geschichten über schöne Luxusrefugium und Traumstrände bekommen habe. Auch eine absolut wichtige Erkenntnis für mich, um meine „zukünftige Bestimmung“ klarer zu sehen.
Danke dafür! Danke für jedes Wort, jede Meinung, jeden Kommentar! Danke auch für jeden Gedanken, den du mit mir teilst! (Du darfst das, denn ich gehe davon aus, dass es ein wichtiger & nützlicher Gedanke ist und kein Guru-Gehabe! ;)
Warum ich hier schreibe? Weil es mehr Freude und Sinn macht, wenn Texte nicht einfach in der Schublade verschwinden, sondern wenn man am Ende auf den Veröffentlichen-Button drücken kann. Das ist der kleine Adrenalin-Kick, den wohl jeder Blogger kennt. Der feierliche Höhepunkt. Gefolgt von dem schönen Gefühl zu sehen, dass der Beitrag gelesen wird. Auch wenn dazu das leidige Google Analytics herhalten muss. Ich hätte das Orakel längst rausgekickt, um mich nicht weiter mit den Gedanken plagen zu müssen, was DSGVO-konform ist und was nicht. Doch als Reisebloggerin ist es spannend zu sehen, von welchen Ecken der Welt der eigene Blog angeklickt wird. „Berechtigtes Interesse“ sozusagen. Stell‘ dir vor du bloggst, aber keiner liest es. Wer will das schon? Und wenn die eigenen Geschichten doch gelesen werden, wäre es doch irgendwie schade, selbst nie etwas davon zu erfahren.
Der Ort mit C lässt mich nicht los. Ich würde allzu gerne hinfahren, Fotos machen und dir davon erzählen. Aber NUR dir und nicht denen, die nur beiläufig hier vorbeikommen. Es sollen nicht alle wissen, denn Geheimtipps sollen schließlich Geheimtipps bleiben.
Wenn nichts mehr geheim ist, dann ist der Zauber verflogen. Dann macht das Reisen keinen Spaß mehr und es gibt nichts mehr zu entdecken.
Ich reagiere nicht mehr auf „Hey, unbekannterweise, hast du nicht einen Tipp für XY, du reist doch viel, du kennst dich doch aus!“ Das ist vorbei. Auch wenn ich gerne ein netter Mensch bin. Aber selbst die Nettigkeit hat ihre Grenzen.
Vorerst mache ich Urlaub auf einer Insel mit S. Und vielleicht fällt mir dort etwas ein, wie man das mit den Geheimtipps, den Inspirationen und persönlichen Lieblingsplätzen handhaben könnte. Vielleicht habe ich ja eine Idee, wohin und wie ich mit Follow Your Trolley in Zukunft reisen möchte.
Und dafür braucht es eine Pause.
Eine wohlverdiente Pause.
Eine Hängematte vielleicht.
Einen Strand.
Meerblick.
Einfach tun, was man im Urlaub gerne tut…ohne darüber zu bloggen.
Einen Versuch ist es wert.

10 Jahre Follow Your Trolley. Und jetzt?
Wir sind hier noch nicht fertig. Keine Sorge, das ist nicht das Ende.
Bleib‘ dran – Teil 3 dieses Jubiläumsposts folgt in Kürze. Es kann aber auch sein, dass es etwas länger dauert. Vielleicht den ganzen Sommer. Ich liebe den Sommer, hab ich das schon erwähnt…?;)
10 comments
Viel Spass im Urlaub! Genieße es!
Ich mach mir schon bei unserem Normalo-1x-im-Jahr Urlaub Gedanken ob es noch angebracht ist einfach nur so und weil es dazu gehört irgendwohin zu reisen. Die Skrupel habe ich bei Geschäftsreisen nicht, vielleicht weil ich mir da einrede dass die Reise einen Zweck erfüllt?
Liebe Silvia!
ja, das Gefühl bei den beruflichen Reisen kenne ich nur zu gut…man hat sozusagen eine Mission und ist nicht zum Vergnügen unterwegs! ;)
Bei den Urlaubsreisen muss man sich glaub‘ ich einfach bewusst werden, was die eigene Intention der Reise ist und ob meine Bedürfnisse dann auch tatsächlich erfüllt werden. Bin ich gestresst und will ich ans Meer, um meine Batterien wieder aufzuladen? Will ich Abenteuer und Abwechslung, weil mein Alltag sonst eher gleichförmig ist? Will ich Kultur & mir bestimmte Sehenswürdigkeiten anschauen? Insofern sollte ein Urlaub einen bestimmten „Zweck“ haben, sonst könnte man tatsächlich auch einfach zu Hause bleiben… ;)
Vielen Dank für deine offenen Worte. Du sprichst mir aus der (nicht Blogger ;) ) Seele! Nachdem wir positive Reiseerfahrungen bisher immer sehr gern geteilt haben und mittlerweile sogar das tiefste Dorf in Apulien – in der Vorsaison überlaufen ist, fragen wir uns selbst wieviel Information nach außen notwendig ist und ob man geliebte ‚Geheimplätze‘ nicht doch lieber für sich behält.
Genieß deinen Urlaub, erhol dich und DANKE fürs immer wieder achtsam machen!
Liebe Melanke, ja..ich stelle immer wieder fest, dass dies längst nicht nur Blogger-Probleme sind, sondern jeden Reisenden betreffen, der in irgendeiner Form auf Social Media-Kanälen präsent ist.
Und danke für den Hinweis, da kann ich mir Apulien also gleich sparen…hätte ich auch noch auf meiner Liste gehabt. Zu spät, zu spät… ;)
[…] du meine Blogposts unter dem Titel “Wohin wollen wir noch reisen” Teil 1 + Teil 2 gelesen hast, dann weißt du von dieser Krise, oder sagen wir: Umbruchphase, die ich mit Follow […]
[…] du vielleicht in meinen Jubiläumsposts Part I + Part II gelesen hast, haben sich meine Ansichten über das Reisen und das Bloggen in letzter Zeit aufgrund […]
[…] Und damit formiert sich Follow Your Trolley einmal mehr zu einer Plattform, die keine “Insidertipps” einfach so ins Internet wirft, die dann schon längst keine mehr sind. Es geht um meine ganz persönlichen Reiseinspirationen, die ich nur einem eingeschworenen Kreis aus gleichgesinnten Reisenden weitergeben möchte! (Wie es dazu kam, liest du in meinen Jubliäumsposts Part I + Part II!) […]
Was haben Influencer schon mit uns Bloggern zu tun? Den Social-Media-Zirkus muss man ja als Blogger nicht mitmachen. Mach ich auch nicht und bekomme diese Geschichten nur am Rande mit.
Aber mal ehrlich, „Streuner von Google“? Das sind in den meisten Blogs 80%-90% aller Besucher! ;)
Hi Florian!
Ja, eben! Deshalb ist das Etikett „Geheimtipp“ auf allem, was man googlen kann, fehl am Platz. Ich möchte meine persönlichen Lieblingsplätze einfach nicht mehr in Blogposts verbraten. Und ich vermeide es, mich als Blogger zu bezeichnen, weil ich es irgendwie überholt und peinlich finde. Das gilt nur für mich, das kann jeder halten, wie er mag. Mein Weg führt gerade in andere Richtungen. So weit weg, dass ich noch nicht mal den versprochenen 3. Post geschrieben habe, der den Rest erklären würde.. ;)
[…] in meinen Blogposts Wohin wollen wir noch reisen Teil 1 + Teil 2 zu lesen war, hat sich das Reisen verändert und damit auch mein Blog. Und man wäre ja kein Mensch […]