Mein One-Woman-Retreat in Lissabon
Ich bin nun schon eine Woche hier. Und fühle mich wie zu Hause. Fast wie ein Local, mal abgesehen von meinen äußerst bescheidenen Portugiesisch-Kenntnissen.
Ich fühle mich sogar besser als zu Hause, um ganz ehrlich zu sein. Vielleicht weil hier permanent die Sonne scheint und ich dem Winter elegant entkomme.
Was ist eigentlich dieses ‚Zuhause‘? Wie will es definiert werden? Egal, wir wollen uns hier nicht mit Definitionen herumschlagen.
Denn wir wissen, es ist eigentlich ganz simpel: Es gibt die, die ihr Zuhause an einem festen Ort haben. 4 Wände und vielleicht ein Gartenzwerg. Manchmal lebenslang.
Und es gibt die, die überall gerne Wurzeln schlagen.
Und nachdem das hier ein Reiseblog ist, ist klar, zu welcher Gruppe ich mich zähle.
Was hat mich nun ausgerechnet im Januar nach Lissabon verschlagen? Es ist eigentlich gar nicht wichtig, dass die Wahl auf die portugiesische Hauptstadt fiel.
Das Lissabon-Experiment hätte genauso gut ein Bali-Experiment werden können. Doch dann kam der rabiate Vulkan dazwischen. Und auch die Tatsache, dass irgendwie gerade JEDER in Bali ist, Yoga macht, Wheatgrass-Shots trinkt und Buchweizen-Pancakes auf Instagram postet. Wenn alle etwas ungeheuer spannend finden, fange ich meist an, es langweilig zu finden. Schon aus Prinzip.
Ist ja nicht so, als hätte ich das nicht schon alles gemacht. Bali, Yoga und so. Im Jahre 2011. Und eine Wiederholung erschien mir gerade nicht angemessen. Beziehungsweise sollte man schöne Erinnerungen nicht mutwillig zerstören.
Und so ist es Lissabon geworden. Hauptsache wärmer als daheim. Und ein Ort, den ich mag und schon kenne. Portugal ist ja bekanntlich eine meiner Lieblingsdestinationen. Ich halte jedes Mal die Luft an, wenn der Condé Nast Traveller wieder ‚Europe’s Coolest Spots Right Now‘ unters Reisevolk wirft. Portugal, Algarve, Lissabon. Irgendetwas ist immer dabei.
Dabei will ich gar nicht, dass jeder Portugal schön findet. Aber immer mehr tun es. Die Franzosen, die Spanier und mittlerweile auch die Italiener. Vielleicht sollten wir lieber schweigen. Wir Reiseblogger machen es mit unseren Schwärmereien nur noch schlimmer.
Also sei gesagt: Lissabon ist nur ein Platzhalter. Dieses Experiment könnte überall stattfinden. Überall, wo die Infrastruktur passt, halbwegs Frieden und Sicherheit herrscht und man sich wohlfühlt. Und das Meer in der Nähe ist quasi das Sahnehäubchen on top.
Es ist wie beim Marshmellow-Test. Den hätte man genauso gut mit Schokolade, Smarties oder Sportgummi machen können. Das Ergebnis wäre vermutlich dasselbe gewesen.
Was ist denn nun dieses Lissabon-Experiment?
Alltagspflichten deprimieren mich. Buchhaltung, Wäsche waschen (gebügelt wird sowieso nicht) und andere Dinge. Schlechtes Wetter auch. Vor allem, wenn sich diese dicke, graue Wolkendecke mehrere Tage lang nicht bewegt.
Ja, man könnte sich da jetzt als Yogi einfach durchatmen. Und loslassen. Und zulassen. Und dankbar sein für das, was man hat. Ein Dach über dem Kopf. Und zwei Beine. Man könnte lächeln, so wie Vera Birkenbiel immer sagt. 60 Sekunden am Stück einen bestimmten Gesichtsmuskel aktivieren, der dann auf einen Nerv drückt und die Botschaft „happy“ zum Gehirn trägt. Das erscheint mir aber anstrengender, als einen Flug zu buchen. Klick. Und schon strömen Glücksgefühle durch den Körper. Ist so. Beim mir jedenfalls.
Irgendjemand hat auf meinen letzten Escape-Post auf Facebook – ich glaub‘ es war die Pre-X-Mas-Flucht nach Triest – geschrieben, dass man ja nicht woanders hinfahren müsste, um sich selbst zu finden.
Absolut richtig. Man muss nicht. Aber man kann.
Und was für mich passt, muss auch nicht für jeden passen. Deshalb ist es ja auch ein Experiment. Ich weiß ja selbst noch nicht, ob die Mission gelingt. Ich bin noch mittendrin in der Evaluierung.
Meine Idee hatte übrigens einen Umweg. 5 Tage Algarve. Aber das tut im Prinzip nichts zur Sache, außer, dass es schön war, im Januar barfuß am Strand entlang zu spazieren (Aber das habe ich jetzt gar nicht gesagt. Dass muss gar niemand wissen.) Das eigentliche Experiment hat erst hier in Lissabon begonnen.
Und es ging dabei im Wesentlichen um Folgendes:
Rückzug. Einsicht. Tapetenwechsel. Gedanken ordnen. Sinne schärfen. Kreativität entfalten.
Hört sich griffig an und ist tatsächlich so: Mir gelingt das alles einfach besser, wenn ich NICHT zu Hause bin.
Ich werde nicht nervös, wenn ich den Trolley packen muss und mich auf Flughäfen herumtreibe. Ganz im Gegenteil, da fängt für mich die Entspannung an. Weit weg von Wäsche und Geschirr, Buchhaltung und lästigen Terminen. Und damit meine ich ausdrücklich Behördendinge, nicht meine Kunden! Die wundern sich höchstens, wenn ich mal NICHT unterwegs bin.
Auf meinen Flügen, zuerst an die Algarve und dann nach Lissabon, habe ich das Buch „Big Magic“ von Elizabeth Gilbert gelesen. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber das Buch über die Kreativität in all ihren Auswüchsen hat mich bestätigt, dass ich das Richtige tue.
Meine sprudelnden Ideen mit einem Ortswechsel zu verwöhnen, war eine wirklich gute Idee. Einen Schritt vom Alltag zurück zu treten und zu überlegen, was eigentlich wirklich von Bedeutung ist, statt sich in der üblichen Routine zu verfangen. Sich buchstäblich fragen: Wohin soll die Reise denn gehen im neuen Jahr?
Man will ja nicht unbedingt gleich die ganze Welt retten. Zumindest nicht im ersten Anlauf. Es gilt einfach, die eigenen Energien ins Rollen zu bringen, die schlummernden Potenziale aufzuwecken. Einfach irgendwo anzufangen. Also dann am besten bei sich selbst, oder?
Be the change you wish to see in the world.
Ghandi
Denn wie soll man der eigenen Bestimmung auf den Grund gehen, wenn man mit sich selbst ständig im Clinch ist?
Und da man so eine Erkenntnisreise – ob nach Lissabon oder Buxtehude – tunlichst für sich alleine planen sollte, wird einem ziemlich schnell klar, wo der Haken an der Sache liegt: Nämlich an einem selbst! Es ist ja niemand da, dem man die Schuld geben könnte! Dass man zu spät ins Bett gegangen ist, zu lange geschlafen hat, zu wenig produktiv und zu faul für die Meditation war und auch noch die Yoga-Session sausen hat lassen.
Maybe it’s you?
Lauren Handel Zander
Und ja, das muss man ehrlicherweise sagen: Man nimmt sich überall hin selbst mit! Wenn ich zu Hause ein Morgenmuffel bin, dann bin ich das auch in Lissabon oder am Mond. Wenn ich zu Hause schlechte Angewohnheiten habe und mich darüber ärgere, dann wird sich daran auch an einem anderen Ort nicht schlagartig etwas ändern.
Allerdings – fernab von den üblichen daily life struggles – wird einem vielleicht ein bisschen klarer, wer man ist. Welche Qualitäten man hat und welche Ticks und Macken man vermutlich nie los wird. Und man findet genug Muße, um vorzeigbare Strategien zu entwickeln, wie man den Rest seines Lebens damit zurechtkommen könnte. Ich denke, man kann an einem fremden Ort leichter Frieden mit sich selbst schließen. Selfcare. Daheim hab ich für so etwas nie Zeit.
Man kommt von jeder Reise immer doppelt zurück. Einmal als der, der man schon immer war. Und einmal als ein völlig neuer Mensch.
Quote by me
Insofern werde ich bald berichten, wie mein Lissabon-Experiment verlaufen ist. Welche Aufgaben ich mir gestellt habe, welche Erkenntnisse ich gewonnen habe und welche Ideen ich manifestieren konnte. Und vor allem, welche Auswirkungen es auf meine Arbeit & meine Leidenschaften (und da gehört der Follow Your Trolley Blog natürlich dazu!) haben wird.
Beijinhos aus Lissabon,
5 comments
Liebe janette, ich kann mich immer nur wiederholen, ich mag deine Ansichten, so schön wenn du mich einfach mitnimmst, wo immer du grade bist.
Dein potcast spricht mich sehr an, ich höre dir wirklich sehr gerne zu.
Schade dass du in Salzburg unterrichtest und nicht in Wien,
aber vielleicht kommst du ja mal nach Wien 🎈🙏 😏
Schöne Zeit und alles liebe
Ilse
Oooooohhhh…bitte einmal ganz lange Arme, die von Salzburg nach Wien reichen, für eine Umarmung und ein Dankeschön für dein herzallerliebstes Feedback, liebe Ilse!
Und weil rundum nur Gutes zurückkommt, freue ich mich schon jetzt, den nächsten Podcast aufzunehmen! Denn nur aller Anfang ist schwer, danach bin ich nicht mehr zu bremsen…hab schon viele Themen im Kopf, die ich unbedingt mit euch teilen will… ;)
Liebste Grüße nach Vienna, Jeanette
[…] ersten Ohrensesseltalk in einem Apartment von The Lisboans aufgenommen! Genannt habe ich das alles “Das Lissabon-Experiment”. Das Bloggen ist aber nur eine kleine Facette meines umtriebigen Lebens. Meine Lissabon-Eindrücke […]
[…] machen. Meine Idee vom Arbeiten & Leben in dieser inspirierenden Stadt am Meer nannte ich das ‘Das Lissabon-Experiment’. Fast wäre ich nicht mehr zurückgekommen, so sehr haben mich die […]
[…] erinnerst du dich noch an mein Lissabon-Experiment! Das war vor ungefähr zwei Jahren als unsere ME:Treat-Idee erste Formen annahm. Der Ort ist dabei […]