Design, Digital Detox und Dinner-Abende verschmelzen im niederbayrischen Hofgut Hafnerleiten zum perfekten Konzept für ruhesuchende Individualisten.
Gute Verstecke verrate ich ja nur ungern. Andererseits kann ich wirklich gute Entdeckungen auch nur schwer für mich behalten. Und da wäre ja noch meine unermüdliche Suche nach besonderen Rückzugsorten mit Seele und Charakter. Plätze zum Einigeln und Abtauchen. Kein Elektrosmog und viel Natur. Individuelles Design statt Allzwecklösungen.
Diese Plätze entdeckt man immer dort, wo man sie am wenigsten vermutet. Zum Beispiel irgendwo im Nirgendwo in Niederbayern. Das Hofgut Hafnerleiten gibt sich große Mühe, sich zwischen tief hängenden Nebelschwaden und Nieselregen zu verstecken. Allerdings finden wir es doch! Auf der Suche nach der Rezeption öffnen wir die nächstbeste Tür und tauchen gleich mit Haut und Haar in die Wohnzimmeratmosphäre unserer Gastgeberfamilie ein. Das formale Check-in-Prozedere wird durch ein herzliches Hallo samt duftendem Cappuccino und selbst gebackenem Kuchen ersetzt. Hausherrin Anja Horn klärt uns auf, was uns erwartet: Wir sind alles, nur kein Hotel! Stattdessen findet man in den individuellen Themenhäusern, die sich um zwei idyllisch angelegte Seen scharen, alles, was es für die gelungene Auszeit vom Alltag braucht. Fernsehgeräte und W-Lan also ganz sicher nicht! Das Frühstück wird zur gewünschten Zeit zum Ferienhäuschen gebracht, zum Abendessen findet man sich mit den anderen Gästen im Haupthaus an der Familientafel ein.
Yeah, ich wohne in einem Haus am See!
Klingt hervorragend, auch wenn ich mich trotz mitgebrachtem Notebook nun gar nicht mehr traue, nach dem Wifi-Code zu fragen. Neugierig werden wir durch die winterliche Natur, die sich zwischen Schnee, Nebel und quietschgrünem Bambus stimmungsvoller als erwartet zeigt, zu unserem „Haus am See“ geführt. Es ist eines der drei „Rottaler Langhäuser“ mit ausgetüfteltem Design, um die das Hofgut zuletzt erweitert wurde. Ich bin entzückt – von der gemütlichen Kuschelecke neben dem Schlafzimmer, der Koje unter dem Dach als ultimativen Rückzugsort und dem Wohlfühl-Badezimmer mit Infrarotkabine. Der schmale Gang, der von einer modernen Küchenzeile gesäumt wird, führt geradewegs in den Wohnbereich. Wie selbstverständlich wurde hier eine Luxusbadewanne mit Blick hinaus auf den grünen Bambus platziert. Und ein Kamin, in dem – perfekt getimt – hinter Glas schon das Feuer knistert. Ich entdecke Lesestoff in den Regalen und die DVD „Das Haus am See“. Wer kennt ihn nicht, den Film mit Keanu Reeves und Sandra Bullock. Besonders einladend wirkt das Strickzeug auf dem Sofa. Schon am selben Abend kann ich nicht widerstehen, an dem weiter zu stricken, was andere Gäste vor mir in so manchem ablenkungsfreien Moment begonnen haben.
Es ist dunkel geworden und ich probiere die zahlreichen Lichtquellen aus, die immer wieder neue Stimmungen schaffen. Der See vor der großen Glasschiebetür glänzt in halbgefrorener Pracht. Die verspiegelten Glasfronten lassen Natur und Architektur verschmelzen. Es ist verdächtig ruhig im Haus. Nichts, das vom wahren Sein ablenken könnte. Außer man möchte die wie beiläufig bereitgelegten Walnüsse eigenhändig knacken. Oder die getrockneten Apfelringe und Pflaumen aus den Weckgläsern stibitzen.
Im Alltag bin ich mittlerweile gut geübt, Reizüberflutungen aus dem Weg zu gehen. Ich schätze diese Orte, die so herrlich still sind. Ich suche gerne Plätze auf, an denen sich nichts bewegt. Stille. Langsamkeit. Ruhe. Rückzug. Ja, im Hofgut Hafnerleiten findet man all das in konzentrierter Form. Und ich könnte mir vorstellen, dass hier der ein oder andere Workaholic schon frühzeitig abgereist ist, weil er den Stress, den Lärm und die Börsenkurse vermisst hat. Man muss wissen, worauf man sich einlässt. Nämlich auf den größten Luxus unserer modernen Welt: Zeit zu haben für das Nichtstun!
Nur ein einziger Termin im Kalender: Dinner um 7.00 Uhr
Zugegeben, bei aller Sehnsucht nach Stille, fühlt es sich selbst für mich vorerst noch befremdlich an. Weil ich jedes Zeitfenster doch ach so gerne mit Geschäftigkeit fülle. Und weil ich doch bis Montag noch ein paar Slogans schreiben muss und nun auf die weltbeste Recherchequelle, das Internet, verzichten muss. Es ist sieben Uhr! Hurra, der erlösende Abendtermin! Wir wandern in demonstrativer Langsamkeit zum Abendessen ins Haupthaus. Auf halben Weg treffen wir die anderen Gäste – das ältere Ehepaar vom Baumhaus und das Paar vom Bootshaus. Am Ziel angekommen, nehmen wir nach und nach an der schön gedeckten Tafel Platz und werden von Anja „häuschenweise“ offiziell miteinander bekannt gemacht. Den drei Gängen, die auch auf spezielle Ernährungsallüren Rücksicht nehmen, sieht und schmeckt man es an, dass sie von Erwin Rückerl mit Liebe gekocht wurden. Dem Hausherrn ist es auch zu verdanken, dass man im Hofgut so unsagbar guten Kaffee wie sonst nur in Italien serviert bekommt.
Es gibt Suppe und Salat, Gemüse sowie Fisch und Fleisch – alles frisch und vom Feinsten. Auch die vegetarische Variante für mich und die vegane für meine Tischnachbarin können sich sehen lassen. Die Gespräche laufen spätestens zum Hauptgang zur Höchstform auf. Ist man sich erst noch fremd, wird schon bald munter und fröhlich diskutiert und gelacht. Bier und Wein schwebt wie von selbst kontinuierlich an den Tisch und in die Gläser. Fürsorglich geht Anja nochmals mit dem Kochtopf um den Tisch, um den noch Hungrigen einen Nachschlag anzubieten. Gut gesättigt, bestens bewirtet und unterhalten, treten wir den kurzen Heimweg in unser Haus am See an.
Stricken, lesen, nichts tun
Das Abendessen wird schon am nächsten Tag zum lieb gewonnenen Fixpunkt des Tages. So wie das Frühstück, das mit allerlei Köstlichkeiten im Korb bis zur Haustür gebracht wird. Schon nach der ersten Nacht und nach vielen friedlichen Elektrosmog-freien Schlafstunden fühle ich, wie sich die Gelassenheit und Langsamkeit in mir ausbreitet. Die Yogamatte rollt sich wie von selbst vor dem großen Fenster mit Blick auf den See aus. Ich blättere in den Lektüren, die ich im Haus finde und lasse mich von Wörtern inspirieren, die ich handschriftlich in ein Notizbuch kritzle. Meine Slogans nehmen Formen an. Ganz ohne Internet. Ich verliere mich in den gemütlichen Wellnesswürfeln am See, tauche in der Erdsauna oder in meiner ganz privaten Infrarotkabine ab und wandere herrlich verloren durch den mystischen Wald. Ich stricke noch ein bisschen und versuche mich zu erinnern, wann ich all das zum letzten Mal getan habe. Nach 48 Stunden höre ich endlich auf, die Nachrichten auf dem Handy checken zu wollen. Ich bin dann eben mal weg. Das Nicht-erreichbar-sein ist am Sonntag noch eine Tugend. Am Montag wird es zur Mutprobe, die man unbedingt bestehen will. Zwischendurch zieht mich die Lust auf Cappuccino ins Haupthaus. Dort hält der Chef mit großer Wahrscheinlichkeit gerade einen seinen Barista-Kurse oder Kochworkshops ab.
Ich habe mich so gut versteckt, so gut zwischen Bambus, Nebel und verspiegeltem Glas getarnt, dass ich nun eigentlich lieber hier blieben möchte, als wieder raus in den Alltag zu müssen. Ich finde es nämlich eigentlich ganz erträglich, das Nichtstun in absoluter Stille. Was für ein Luxus! Und in dem Moment, in dem ich mich beim herzlichen Hofgut-Team verabschieden muss, kommt mir da eine ganz großartige Idee: Das Haus am See wäre vermutlich auch ein perfektes Sommerversteck! Und sollte es nicht frei sein, dann nehme ich eben das Wiesen-, Boots-, Baum- oder Wasserhaus.
Hofgut Hafnerleiten
Brunndobl 16, 84364 Bad Birnbach // www.hofgut.info
Dinge, die man vermissen könnte…
- Ja, man wird das Wi-Fi und den fehlenden Handy-Empfang ganz sicher vermissen! Und das ist gut so!
- Lärm, der nicht von der Natur verursacht wurde
Dinge, die man nicht erwarten würde…
- einen Hausherrn, der seine Barista-Künste zur Freude aller Kaffeekenner an die Spitze treibt!
- durchdachte Architektur, die mehrfach ausgezeichnet wurde
- die perfekte Mischung aus Privatsphäre und familiärer Fürsorge
- ein völlig strahlenfreies Haus, das teilweise in die schützende Erde gebaut wurde
- Hühner, die so hübsch aussehen, als wären sie nur zu Dekorationszwecken hier
Hinweis: Dieser Beitrag über das Hofgut Hafnerleiten entstand im Zuge meiner Recherchereise für das emotion SLOW Magazin. Alle Eindrücke und Meinungen sind meine eigenen.