Statt die Sache mit der Selbstliebe, der Glückseligkeit & der Freude einfach zu leben, tragen wir sie der Einfachheit halber vor uns her.
Unsere kunterbunte Welt ist voller gut gemeinter Ratschläge und wunderbarer Sprüche. Instagram ist eine Oase hingeworfener Mantras und Facebook ein Quell spiritueller Einsichten. Eigentlich müsste man es nur tun. Diese Dinge rund um Selbstliebe, Lebensfreude, Mitgefühl und Achtsamkeit. Doch stattdessen zitieren wir den Dalai Lama, Thich Nhat Hanh und Pema Chödron. Wir halten das stille Sitzen mit uns selbst eigentlich gar nicht aus – dann schon lieber ein Selfie im Lotussitz. Dazu weise Botschaften als Print quer über der Brust, die beweisen sollen, dass wir Spaß haben und den Sinn des Lebens längst begriffen haben.
Choose happiness!
Just be!
Ja, die Jagd nach dem Glück kommt in englischer Sprache noch viel besser an. BE YOURSELF, EVERYONE ELSE IS ALREADY TAKEN. Einfach sein. Als hätten wir das nicht gewusst. Und trotzdem haben wir keine Zeit dafür. Also schenken wir uns Zeit in der Yogastunde, in die wir es nach getaner Arbeit noch schnell schaffen, das passende Statement am Leib – und seien es nur zwei Buchstaben: OM. Je bunter, größer & provokanter, desto lieber. So ist sie, die Welt der Spiritual Gangster und Yoga-Rebellen.
Namast’ay in Bed.
Kiss my Karma.
INHALE. EXHALE. REPEAT. Ja, eh. Aber muss das wirklich groß auf meinem T-Shirt stehen, um nicht darauf zu vergessen? Braucht es ein gedrucktes Credo, „um der Welt zu zeigen, dass ich mit ihr in Einklang bin“ (so der Werbeslogan eines Yogalabels auf Facebook, an dessen Name ich mich zum Glück nicht mehr erinnern kann). NAMASTÉ BITCHES! – im Ernst, jetzt? Will ich mich mit diesem Spruch auf der Yogamatte zeigen? Ich hätte große Zweifel, hätte mir je einer meiner Yogalehrer in einem solchen Shirt etwas über Mindfulness oder Meditation erzählen wollen. Dann noch lieber „I’M JUST HERE FOR THE SHAVASANA“ – das macht wenigstens Sinn, wenn man bedenkt, dass die Totenstellung am Ende der Praxis zu den wichtigsten Asanas überhaupt gehört!
Do all things with Love.
Do more of what makes you happy.
Und doch sind viele Zitate eine Aufforderung zum Tun. Das Glück und die Harmonie kommen eben nicht von allein. Unsere auf Leistung getrimmte Gesellschaft will, dass wir etwas erreichen. Und dafür müssen wir etwas tun. Und sei es nur Geld ausgeben, um uns besser zu fühlen. Wer den Weg zum Glück nicht kennt, ist ein Loser. Dass alles Glück eigentlich schon in uns wohnt, will uns niemand verraten und schon gar keiner glauben.
Der Blick in meine eigene Yogagarderobe verrät, dass auch ich im Besitz einiger Message-T-Shirts bin. Und jedes Mal, wenn ich eines davon aus dem Schrank ziehe, suchen wir – nämlich ME, MY OM & I – nach Argumenten, die den willkürlich aneinandergereihten Worten Sinn geben. Der Aufwand, den wir betreiben, geht meist in die falsche Richtung. „Es ist schön, dass ihr eure Fußnägel in der Farbe eurer Yogamatte lackiert habt! Ich weiß das wirklich zu schätzen!“, amüsierte sich Bryan Kest schon zu Yoga-Urzeiten in seinen Workshops, um uns genau das begreiflich zu machen.
Top & Yogahose von Wellicious
Ich habe übrigens ein Shirt, auf dem DO NOTHING steht. Ich mag es. Ich mag es wirklich. Es hat nämlich mit Yoga gar nichts am Hut und zählt schon seit gefühlten 100 Jahren zu meinen Lieblingsbasics im Schrank. Es ist sozusagen das Anti-Message-Teil unter all meinen Yogakleidungsstücken und gibt mir die offizielle Berechtigung, in die Kindeshaltung zu gehen, wenn ich keine Lust mehr auf Armbalances und anstrengende Flows habe, die sich irgendwelche Hipster-Celebrity-Teacher ausdenken. DO ALL THINGS WITH LOVE. Auch nichts Neues, aber zumindest erinnere ich mich beim Anziehen immer selbst daran, dass ich deshalb Yoga praktiziere und unterrichte, weil ich es einfach gerne tue. Damit wären wir auch schon am Ende. Denn das, was ich beim Yoga am liebsten trage, ist die pure Langeweile aus fairer Bio-Baumwolle. Je eintöniger, je lieber. Alleine schon, um mein YIN nicht zu verscheuchen. Deshalb an dieser Stelle ein Hoch auf die herrlich unaufgeregte Casualwear von Labels wie Wellicious, Mandala, Yoiqi oder Gwynedds! Understatement ist das neue Schwarz! Es reicht doch auch, die Attitüde IM statt AUF dem Herzen zu tragen, oder? In diesem Sinne: Love, Peace & Happiness!
P.S.: Und bei allen, die einen locker-flockigen Style-Post erwartet haben, der mir aufgrund unvorhergesehener Eigendynamik in die tieferen Fragen des Seins entglitten ist, entschuldige ich mich mit einem liebevollen SORRY, NOT SORRY!