Mehr als nur ein Hotel in Lissabon
Wer ein Mainstream-Hotel in Lissabon sucht, ist in der micasaenlisboa fehl am Platz. Mit einem üblichen Hotel hat die micasaenlisboa im Stadtviertel Graça nämlich nichts zu tun. Vielmehr ist sie ein charaktervolles Gästehaus für Individualisten.
Wie ein Local in Lissabon wohnen
Mein Lissabon-Experiment (HIER habe ich es näher beschrieben!) nahm in der micasaenlisboa ihren Lauf. Mich an einem Ort wie ein Local fühlen, meine Sinne schärfen und meine Kreativität entfalten – so war meine Idee. Nicht in einem herkömmlichen Hotel in Lissabon einchecken, auch kein üblicher Hotelgast sein und auch nicht die üblichen Sehenswürdigkeiten abklappern. Vielmehr eine Auszeit vom Alltag nehmen und ungestört neuen Projekten frönen (unter anderem meinen Podcast zu starten!)
María Ulecia, die mit der micasaenlisboa (auch minhacasaemlisboa oder myhouseinlisbon) ihr persönliches Zuhause auch für Freunde und Gäste zugänglich macht, ließ mich schon per E-Mail wissen, dass sie das perfekte Zimmer für mich hat. Mit viel Privatsphäre, einem Schreibtisch zum Arbeiten und genug Platz, um meine Yogamatte auszurollen. Und genau so war es. Und noch mehr. Denn den sensationellen Ausblick über die ganze Stadt hatte María gar nicht explizit erwähnt – und er war noch viel besser als man es auf den Fotos der Website erahnt hätte! Nur nach meinen Vorlieben zum Frühstück hatte sie mich gefragt, was vermuten ließ, dass ich bestens umsorgt sein würde.
Keine Frühstückszeiten wie im Hotel. Eher Gepflogenheiten wie bei einem Besuch bei der Lieblingstante, die dir das Frühstück liebevoll auf einem Tablett serviert. Kein portugiesisches Frühstück, das ohne frisch gepressten Orangensaft auskommt. Eine Tatsache, an die man sich wirklich gewöhnen könnte. Dazu Brot, Marmelade und selbst gemachter Kuchen auf ebenso selbst gemachter Keramik. Denn Maria weíß nicht nur, wie man Häuser in besondere Gästehäuser verwandelt (wie zuvor schon bei den Apartments des Baixa House), sie liebt es auch, kunstvolle Keramik zu kreieren. Man sollte auf jeden Fall einen Blick auf die Küchenfliesen werfen, in welchen sie eigenhändig die großflächigen Abdrücke von Gewürzpflanzen verewigt hat.
Maria empfängt mich und ein paar andere wenige Gäste im Januar trotz Umbauarbeiten, die gerade in der gemeinschaftlichen Lounge und in der Küche über die Bühne gehen. Dadurch entgeht mir zwar das Gesamterlebnis, das die micasaenlisboa ansonsten zu bieten hat, was María ausdrücklich bedauert, aber dafür bekomme ich das Frühstück zu jeder beliebigen Uhrzeit quasi bis zum Bett serviert. Ein guter Deal würde ich sagen.
Mein Zimmer mit Aussicht in Lissabon
Obwohl ich bekanntlich ein ausgesprochener Türkis-Fan bin, habe ich mich schnell mit dem Farbmix aus Sonnengelb und Grau angefreundet, der mich in meinem Zimmer mit Aussicht erwartet. Decke, Teppich und Nachttischlampe leuchten in warmen Gelbtönen mindestens so schön wie das Castelo de São Jorge in der Nacht. Das eindrucksvolle Panorama, das sich nach Einbruch der Dunkelheit vor meinem Fenster entfaltet, ist Grund genug, einen großen Teil des Abends ‚zu Hause‘ zu verbringen, noch etwas Yoga auf dem gelb gestreiften Teppich zu üben, bevor ich mich in mein Bett kuschle, den Blick immer noch wie hypnotisiert auf die beleuchteten Häuserkulissen geheftet.
Ich habe mich ja auf diesem Blog schön hie und da über Sichtbeton als überstrapaziertes Designelement beschwert. Aber in der micasaenlisboa sorgt der Beton für die perfekte Mischung aus Gemütlichkeit & Coolness. Alles andere wäre fehl am Platz. Auch bei der Einrichtung hat sich María etwas gedacht. Jedes Zimmer folgt einem eigenen Farb- und Designkonzept. Und egal, in welchem Zimmer man sich auch niederlässt, es kommt unweigerlich die Frage auf, wo Maria die Vasen, Bücher und Bilder wohl aufgestöbert hat. Auch in meinem gelb-grauen Zimmer im ersten Stock treffe ich auf solche Schätze: Das Buch „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ in portugiesischer Sprache, getöpferte Vasen-Unikate, ein Gästebuch, das an ein altes Schulheft erinnert und ein schwarzer Porzellan-Panther, der auf einer zum Bücherregal umfunktionierten Holzkiste thront.
Ein Hotel in Lissabon gesucht & gefunden. Nur viel besser.
Nichts, das hier von der Stange kommt. Keine Massenprodukte und auch kein unnötiger Firlefanz. Ein Ort, an dem Ikea keine Chance hat. Wunderbar! María erklärt mir den Weg zum Flohmarkt Feira da Ladra am Campo de Santa Clara, der überraschend nahe liegt. Keine 15 Minuten spaziert man dorthin. Es geht bergab. Einer der Benefits, wenn man hier oben im Stadtteil Graça wohnt. Zumindest auf dem Hinweg. Der Flohmarkt findet immer dienstags und samstags statt. Und würde ich in Lissabon leben, ich wäre bestimmt Stammgast dort und würde wie María die tollsten Dinge aufstöbern. Ich kehre mit einer Fliese, einem alten Buch und einer Landkarte von Ozeanien zurück.
Überhaupt sollte man sich vertrauensvoll an María wenden, um sich die besten Insidertipps jenseits des Mainstreams zu holen. So schickt sie mich gleich am ersten Tag, der so traumhaft sonnig war, mit einer Visitenkarte vom Restaurante Atira-Te Ao Rio mit der Fähre über den Tejo nach Cacilhas. 3 Euro leichter und 10 Minuten später erhalte ich so einen ganz anderen Blick auf Lissabon. Weit weg vom Geschehen. Ob ich etwas sehen will, was ich kenne oder lieber etwas, das ich noch nicht kenne, hat mich meine Gastgeberin zuvor mit fast schon strengem Ton gefragt. Jeglichen Einheitsbrei sucht man in Marías Casa vergeblich. Und so entlockt man ihr mit Sicherheit auch keine touristischen Pauschaltipps.
Auch die darauffolgenden Tage sind so wunderbar sonnig und warm, dass ich mich ärgere, überhaupt eine Jacke eingepackt zu haben. In Lissabon vergisst man den Winter. Dass die micasaenlisboa auf einem der 7 Hügel Lissabons liegt, hat den Vorteil, dass man nah an einem der schönsten Aussichtspunkte Lissabon wohnt, dem Miradoura de Nossa Senhora do Monte. Auch das hat mir die Hausherrin verschwiegen oder als zu touristisch erachtet. Dabei ist es ein Luxus, denn von den zentral gelegeneren Hotels in Lissabon ist der Weg hierher deutlich weiter. Nicht nur einmal stehe ich deshalb staunend und fotografierend pünktlich zum Sonnenuntergang da, zugegeben mit vielen anderen Menschen und mindestens einem Gitarrenspieler, der seine Balladen in den Himmel grölt. Trotzdem Gänsehaut. Einfach schön.
Lissabon, weißt du was? Ich bleib‘ einfach hier! Wie kann die Hauptfigur aus Pascal Merciers „Nachtzug nach Lissabon“ überhaupt eine Sekunde darüber nachdenken.
Ja, solche Sachen schießen einem durch den Kopf. In einer Stadt am Meer mitten im Januar. Und es ist egal, dass am unteren Ende der Straße im Café Calcada, das Sagres-Bier viel zu teuer verkauft wird. Denn es wird perfekt temperiert zu den letzten Sonnenstrahlen des Tages serviert. Im ganzen Land scheint es ein Abkommen zu geben: Beim Orangensaft, Kaffee und Bier macht man keine Kompromisse. Niemals. zumindest habe ich noch keinen erlebt. Nur ein paar Schritte weiter, bin ich schon in meinem Zuhause angekommen, um den Rest des Sonnenuntergangs von meinem Zimmer aus zu genießen. Diese außergewöhnliche Aussicht gehört bestimmt nicht in jedem Hotel in Lissabon zum Standard, so viel ist sicher.
Ich reise ab, obwohl ich mich gerade erst so richtig angekommen fühle. Schicksal einer Reisenden. María ruft das Taxi, das schneller über die verschlungenen Gassen zur micasaenlisboa kommt, als mir eigentlich lieb ist. Eine gute Wahl für mein Lissabon-Experiment, das mit meiner Abreise zum Glück noch nicht zu Ende ist. Ich komme wieder. Bestimmt. Drei Gründe habe ich jetzt schon: Das Frühstück, die Aussicht und Marías fantastische Insidertipps!
micasaenlisboa // myhomeinlisbon
Calçada do Monte 48, 1100-362 Lissabon, Portugal // www.micasaenlisboa.com
micasaenlisboa bei Urlaubsarchitektur
Dinge, die man nicht erwarten würde…
- …eine absolut traumhafte Aussicht (sofern man eines der entsprechend ausgerichteten Zimmern gebucht hat) – und das sogar vom Bett aus.
- …ein von María liebevoll zubereitetes Frühstück. Mit frisch gepresstem Organgensaft, frischen Früchten und selbst gebackenem Kuchen. Spezialwünsche werden erfragt und berücksichtigt.
- …Flohmarktfundstücke und sorgsam ausgewähltes Design in allen Zimmern sorgen für unverwechselbares Flair!
- …eine aufmerksame Gastgeberin, die nur darauf brennt, ihren Gästen ganz besondere Insidertipps zu geben, die in keinem Reiseführer stehen.
- …eine tolle Rainshower-Dusche, bei der man kaum warten muss, bis das Wasser warm wird.
Dinge, die man vermissen könnte…
- …Cozyness im Winter. Der Steinboden kann in den Wintermonaten in Kombination mit dem Sichtbeton etwas kühl wirken.
- …unmittelbare Zentrumsnähe. Man muss schon einen 15-minütigen Spaziergang einplanen, um das zentrale Baixa-Viertel zu erreichen. Wenn es nach María geht, hat man aber als Gast der micasaenlisboa in den touristischen Gegenden ohnehin nichts verloren.
- …belebte Straßen. Man kann sich in den verwinkelten Gassen von Graça schon mal verlaufen. Gerade, wenn man alleine unterwegs ist, kann es an manchen Ecken bei Dunkelheit ein bisschen unheimlich werden.
Hinweis: Danke an María, die mich (trotz Umbauarbeiten und außerhalb der offiziellen Saison) zu diesem Aufenthalt in der micasaenlisboa eingeladen hat.
2 comments
[…] María Ulecia empfängt ihre „Guestfriends“ etwas abseits üblicher Touristenpfade im Stadtteil Graça. Das zum Gästehaus erweiterte Zuhause trägt die unverkennbare Handschrift der designaffinen Spanierin: Möbelunikate, Flohmarktfundstücke, handgemachte Keramik – nichts ist hier von der Stange. Die wahren Geheimtipps der Stadt erfährt man von ihr! // www.micasaenlisboa.com // >> Tested by FYT/Blogpost […]
Mega schön, was es da in Lissabon zu erleben gibt. Hab schon viel gutes gehört. Mal Zeit, in den Flieger zu setzen und dann die Ruhe finden. Jetzt mal zunächst bei uns um die Ecke im Bregenzerwald mal bisserl durchstarten und dann die weitere Welt wieder entdecken. Danke für die wertvollen Tipps.