Yoga fürs Herz: Im September traf ich Erica Jago im Mandali Retreat Center hoch über dem Lago d’Orta in Italien.
Manchmal überkommt einen dieses drängende Gefühl, etwas u-n-b-e-d-i-n-g-t tun zu müssen. In meinem Fall war es ein Yogaretreat mit Erica Jago in Italien, das mir schon seit Jahresbeginn nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Und das hatte gleich 3 gute Gründe:
- Erica Jago: Die auf Hawaii lebende Yogalehrerin und Grafikdesignerin wurde durch ihre „Asanaglyphs“ sowie das Buch „Art of Attention“ bekannt. Ihr kreatives Schaffen, das über den Yogamattenrand weit hinaus geht, fasziniert mich schon seit einiger Zeit.
- Mandali Retreat Center: Das Yoga-Refugium, das in abgeschiedener Lage über dem Lago d’Orta nördlich von Mailand thront, stand schon vor seiner Eröffnung ganz oben auf meiner Liste. Die schönen Fotos auf der Website schreien Ästheten & Yogis förmlich an, diesen Platz aufzusuchen.
- Love & be loved: Der Titel ließ es schon erahnen, dass sich bei diesem Retreat alles ums Herzchakra dreht! Und da mein gesamtes Yogajahr nicht der Optimierung von Asanas, sondern der intensiven Selbstergründung gewidmet sein soll, kamen mir Ericas „Heart-Studies“ gerade gelegen.
Dass ich dann Ende September wirklich bei Ericas Retreat im Mandali gelandet bin, war dem Zufall – oder besser: einem Wink des Universums! – zu verdanken. Ich war zwar einerseits von dem Gedanken besessen, mir genau diese grandiose Auszeit zu gönnen, allerdings sprachen auch 2 Argumente dagegen:
- Ich habe in diesem Jahr schon einige, wirklich tolle Yogareisen gemacht. Es war also nicht unbedingt so, dass ich dieses Retreat dringend nötig gehabt hätte.
- Das Timing war ungünstig. Nur 5 Tage später stand nämlich mein eigenes Retreat ‚Yoga mit Freunden‘ an der Algarve dick im Kalender.
Im August entschloss ich mich dann in einem spontanem Akt der Selbstliebe, das Retreat trotzdem zu buchen. Zu spät, denn all Plätze waren schon vergeben! Ich verbrachte drei Tage damit, um meinen Ärger in „Loslassen“ umzuwandeln. Und gerade als ich mich mit der Realität angefreundet hatte, bekam ich wenige Tage vor Retreatbeginn die Nachricht, dass doch noch ein Platz frei geworden wäre! Yesss!
Ein leistbarer Flug nach Mailand-Malpensa war zu meiner Freude auch schnell gefunden (nochmals danke ans Universum!) und ich fand mich nach einer Fahrt mit dem Shuttlebus und einer kurvigen Taxifahrt im Mandali Retreat wieder. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen, dass es doch noch geklappt hatte!
Das Wetter war weit weniger erfreut über meine Ankunft und empfing mich vorerst mit kaltem Nebel und grauen Wolken. Das tat dem ersten Eindruck, an einem hinreißenden Wohlfühlort gelandet zu sein, allerdings keinen Abbruch! Ich liebe schönes Design und geschmackvolle Details. Und das Mandali Retreat könnte man durchaus als die spirituelle Design-Schwester der Six Senses Resorts bezeichnen: dänisches Geschirr in verwaschenen Farben, Kuscheldecken aus roséfarbenem Leinen und überhaupt scheint das gesamte Interieur irgendwie in die Umgebung zu passen. Auch die Architektur wurde sehr sensibel angelegt: Der verschachtelte Gebäudekomplex schmiegt sich so unaufgeregt in die mediterrane Landschaft wie die alten Häuser im benachbarten Bergdorf.
Nicht jeder ‚Yogaurlaub‘ ist ein ‚Yogaretreat‘. Doch das Mandali hat zweifellos echten Retreat-Charakter – mit Ruhe, Abgeschiedenheit und Raum für den persönlichen Rückzug. Mit den 3- und 5-tägigen ‚Mandali-Experiences‘ lässt sich dieser Rückzug auch ganz alleine üben, ohne ein Gruppenretreat mit einem Gastlehrer gebucht zu haben. Man wird dennoch mit allen Mahlzeiten versorgt, kann den Spa benützen sowie an täglichen Yoga- und Meditationseinheiten teilnehmen. Auch die meisten Zimmer orientieren sich an den Bedürfnissen von Alleinreisenden, die einfach ihre Ruhe haben möchten und für ihren Single-Auftritt nicht bemitleidet werden möchten.
Am Ankunftstag nehme ich an einer der langen Holztafeln Platz und bekomme einen ersten Eindruck vom ‚Buffet‘, das eigentlich einen schöneren Namen verdient hätte. Der Chef ist Italiener aus Leidenschaft, auch wenn er mich ein bisschen an Louis de Funès erinnert, nur weniger hektisch. Quinoa-Fenchel-Salate und Rosmarin-Süßkartoffeln serviert er mit ebenso großem Enthusiasmus wie die tägliche Pasta. Ach ja, wir sind ja in Italien! Fast hätte ich das hier, meilenweit von Aperol Spritz & Café macchiato entfernt, vergessen!
Eine Dame aus England nimmt gegenüber von mir Platz. Sie ist spät angekommen und noch etwas außer Atem. Nein, sie hat nicht das Retreat mit Erica Jago gebucht, sie nimmt nur übers Wochenende an einem Seminar teil. Das Mandali verfügt nämlich über so viel Platz, dass auch mehrere Veranstaltungen parallel ausgetragen werden können. Insofern versammeln sich zu den Mahlzeiten unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichen Intentionen. Die einen schweigen, die anderen lachen laut. Nachdem die besagte Dame nach einem Löffel vom veganen Schokodessert leicht angewidert die Augen verdreht, flüstert sie mir geheimnisvoll zu: „Do you think there’s a bar nearby? I would love to have a Cider!“
Meine Taxifahrt bei Tageslicht war aufschlussreich genug, um ihr jegliche Hoffnung zu nehmen, dass sich im Umkreis von mindestens 20 Kilometern weder ein Café, noch ein Restaurant und schon gar keine Bar befindet. Retreat eben. Kein Urlaub. Aber natürlich finden auch ‚Einsteiger‘ ihren Weg ins Mandali, die diesen feinen Unterschied erstmals verdauen müssen. Ganz ohne Grappa.
Meine Yogagruppe findet sich zur Willkommens-Zeremonie im sakralen Yogatempel ein. Holländerinnen, eine Kanadierin und Australierin, einige Weltenbummler, deren Heimat sich nicht genau zuordnen lässt, und ich. Es riecht nach Palo Santo und subtile Klänge durchströmen den Raum. Ericas Erscheinung ist noch feenhafter als ich von den Fotos her vermutet hätte. Dennoch gelingt es ihr von Anfang an, mit ihrer Präsenz die bunt zusammengewürfelten Teilnehmer zu einer Gruppe zusammen zu führen. Wir ziehen Kärtchen, reichen Duftöle weiter und bekommen ein kleines Büchlein für persönliche Notizen. Erica erzählt, dass sie der Beschäftigung mit dem Herz-Chakra aufgrund eigener Erfahrungen bisher aus dem Weg gegangen ist. Die Offenheit, mit der sie mit Schwächen und den Herausforderungen in ihrem Leben umgeht, macht sie gleich noch sympathischer.
Schon am zweiten Tag hat sich der Nebel verzogen und der morgendliche Weg zum Yogatempel gestaltet sich vorwiegend sonnig. An allen Tagen erleben wir ein vielseitiges Programm aus Kundalini & Vinyasas Flow Yoga, Meditation & Pranayama. Wir unternehmen spannende Ausflüge in den 5-Rhythmen-Tanz und werden von Tess, Ericas Assistenzlehrerin, in die Kunst des „Authentic Relating“ eingeweiht. Wir machen schweigende Spaziergänge in der Natur und kreieren mit den gesammelten Fundstücken kleine Kunstwerke. Wir versuchen uns in der Deutung von Tarot-Karten und tauchen in schamanische, indianische und hawaiianische Rituale ein. Zwischendurch bedanke ich mich beim Universum, dass es mich hierher geführt hat.
Das Retreat erfüllt genau das, was ich mir erhofft hatte, nämlich mehr als irgendwelche Heartopening-Asanas, die mich vorwiegend körperlich fordern. Ich genieße den Blick über den Yogamattenrand und die vielfältigen Rituale und Prozesse, mit welchen wir unser Sein erforschen. Es ist wie ein kleiner Path of Love für mich, den ich hier überraschend geerdet und im Einklang mit mir selbst absolviere.
Ich fühle mit den Geschichten und Emotionen der anderen, doch ich lasse mich nicht mehr davon mitreißen. Ich verstecke mich nicht mehr hinter meinem eigenen Wortschwall, sondern lasse mich mehr und mehr auf die stillen Momente ein. Ich muss mich nicht mehr in jedes Gespräch einmischen, ohne mich dabei ausgeschlossen zu fühlen. Ich schaffe es, ganz alleine einfach nur da zu sitzen, ohne irgendetwas zu tun. Sogar das Handy hat Sendepause. Ich genieße diesen Blick auf meine eigene Entwicklung, ohne sie jemanden erklären zu müssen.
Ich spüre, wie sich jeden Tag ein bisschen mehr Ruhe in mir ausbreitet, was vermutlich auch dem sensationellen Ausblick über den Lago d’Orta und den Vormittagen, die wir weitgehend schweigend verbringen, geschuldet ist. Beim Frühstück genießen wir die besondere Stimmung auf der weitläufigen Terrasse mit dem sensationellen Ausblick auf den See. Der Trubel, der Lärm und der Verkehr in den Straßen – all das lässt sich von hier oben nur erahnen. Es ist so, als ginge uns das Alltägliche gar nichts an.
Am letzten Abend herrscht feierliche Zeremonienstimmung: Wir kommen vorwiegend in Weiß gekleidet. Mit Kerze, Räucherwerk und liebevollen Worten heißt Erica jeden von uns im Raum willkommen. In der Mitte platzieren wir unsere mitgebrachten Symbole für alle 4 Himmelsrichtungen: Federn, Steine, Blüten und Hölzer. Ich trage meine selbst geknüpfte Mala-Kette aus Rosenquarz um den Hals und muss angesichts meiner früheren Ablehnung gegen sämtlichen „Hokuspokus“ dieser Art über mich selbst schmunzeln. Der Weg vom Kopf in Richtung Herz beinhaltet somit auf jeden Fall ein Lächeln.
Am Ende steht jeder Teilnehmer mit einer kleinen Darbietung im Mittelpunkt der Zeremonie. Gedichte, Gedanken, Gesten. Die abwartende Distanz, die an den ersten Tagen zwischen uns zu spüren war, ist längst passé. Umarmungen, Emotionen, persönliche Geschichten und tiefe Gespräche haben eine nahbare Brücke geschlagen. Spontan werden dem Darbietenden liebevolle Worte zugerufen, die jeweils auf einem Blatt Papier notiert werden: Beautiful Soul! Free Spirit! Full of Love! Shine bright! Die aufgeschriebenen Seelenschmeichler nimmt jeder von uns als kleine Erinnerung mit nach Hause.
Ob ich nochmals ins Mandali Retreat Center fahren würde? Auf jeden Fall! Denn ich habe den perfekten Platz gefunden, an dem man nach Herzenslust alleine sein kann ohne sich einsam zu fühlen.
Ob ich wieder an einem Yogaretreat mit Erica teilnehmen würde? Ja, absolut! Denn die vielen Akzente, die sie abseits der üblichen Yogapraxis setzt, sind wunderbar inspirierend! Ein heißer Tipp: Erica ist noch ein paar Monate in Europa und unterrichtet unter anderem in den Delight-Studios in Amsterdam!
Ob ich meinem Herzen ein Stückchen näher gekommen bin? Na und ob! Wenn nicht hier, wo sonst?
LOVE…is a gift we seek to infuse
to all that we encounter.
The feeling of encouragement,
energized focus and
full enjoyment in the process.
TO BE LOVED…
is an act of allowance
that brings us
pleasure, balance and growth.
Links & Kontakte
- Mandali Retreat Center, Lago d’Orta – www.mandali.org
- Erica Jago – www.jagoyoga.com
- Delight Yoga Studios, Amsterdam – www.delightyoga.com
- Tess van der Putten – www.tessvanderputten.com
Hinweis: Danke an das Universum für den frei gewordenen Platz beim Love & be loved-Retreat mit Erica Jago im Mandali Retreat Center! Alle Meinungen und Erfahrungen in diesem Blogpost wurden zu 100 % von meinem Herzen beeinflusst :)
5 comments
Danke für das Teilen dieses Posts! Es ist interessant und voller nützlicher Informationen!
Die Fotos sehen echt unglaublich aus! Da möchte man sofort selbst hin. Werde auf jeden Fall versuchen auch mal dahin zu kommen! Danke für diesen Tollen Eintrag. Grüße aus einem Hotel am Kalterer See :)
Liebe Bella,
ja, das Mandali ist ideal, um den berühmten „Gang runter zu schalten“! Schön, wenn ich dich mit dem Beitrag inspirieren konnte! LG Jeanette
[…] mein Pulsschlag in einer Woche verlangsamt. Meine ausführliche Retreat-Review gibt es übrigens HIER auf Follow Your Trolley […]
[…] um Yoga mit Meghan Currie in der Vondelkerk zu üben und mit mir ihr sowie mit der wunderbaren Erica Jago ein Interview für YOGAaktuell zu […]