Die Sporadeninsel Alonissos ist ein seltsamer Ort. Es gibt nicht viel zu sehen und nicht viel zu tun. Wer hier landet, muss bereit sein, der Ruhe und der Stille ins Auge zu blicken.
Lifestyle- und Reiseblogs beschäftigen sich ja ganz gerne mit den tollkühnsten Insider- und Geheimtipps. Auch ich nehme mich da nicht aus. Ein chices Hotel, das man gesehen haben muss! Ein hippes Café, das den besten glutenfreien Kuchen serviert! Ein ach so gemütliches Yogastudio in diesem angesagten Stadtviertel! Damit wir das von vornherein klären: Nichts dergleichen wird in diesem Post über Alonissos auftauchen. Denn genau dieses NICHTS ist der große Trumpf der Sporadeninsel irgendwo in der tiefblauen Ägäis. Kein Flughafen, um Himmels willen. Man fliegt bestenfalls nach Skiathos und kommt von dort mit der Fähre, meist mit einem Zwischenstopp in Skopelos.
Wer es bis nach Alonissos schafft, meint es ernst. Kein Mensch kommt hier nur zufällig vorbei.
Dass hier nichts gegen, aber auch kaum etwas für Touristen unternommen wird, spürt man schon, als unsere Fähre im Hafen einfährt. Keine Menschenschlangen, keine wartenden Taxis, kein gar nichts. Keinen interessiert’s. Ich bin begeistert, denn genau dieses unaufgeregte Flair hatte ich mir erhofft. Ich habe vorab ein bisschen recherchiert. Ein bisschen. Ich vermeide es ja tunlichst, mich zu intensiv über neue Destinationen zu informieren. Mir genügen ein paar grobe Eckdaten, aber ansonsten möchte ich mir den Ersteindruck vermutlich nicht durch fremde Meinungen verderben lassen.
Mein erster Eindruck von Skopelos Stadt – der anderen Sporadeninsel – war der: Hier legt man sich weit mehr ins Zeug, um Besuchern zu gefallen. Die niedrig in den Hang gebauten weißen Häuschen reihen sich wie auf einer Tribüne gefällig aneinander. So, dass der leicht chaotische Baustil am Ende doch wieder einer fotogenen Ordnung folgt. In Alonissos hat man damit nicht viel am Hut. Pffff…hört man den Hafenort förmlich schnaufen, der vor 30 Jahren vermutlich schon genauso ausgesehen hat. Die Cafés und Restaurants an der Promenade verzichten auf das „cool“ und „hip“. Sie erfüllen einfach ihren Zweck. Hinsetzen, dann und wann am Kaffee, Bier oder Ouzo nippen und stundenlang durch die Gegend starren. Denn man hat Zeit auf der Insel. Alle Zeit der Welt. Touristen, die ihre Urlaubshektik von anderen Inseln versehentlich mitgebracht haben, werden nicht mal belächelt.
Man muss gar nicht mal lange auf der Insel verweilen, um von diesem selten guten Gefühl übermannt zu werden, nichts, wirklich gar nichts zu verpassen.
Egal, was man tut oder unternimmt, man könnte es auch genauso gut bleiben lassen. Manchmal wirft sich Alonissos dennoch in Schale. Mit purem Understatement offeriert die Insel dann ein paar Dinge, mit welchen man sich beschäftigen könnte: Mönchsrobben und Delfine beobachen, Tauchgänge machen, Höhlen und einsame Strände erkunden. Kurz nachdem wir feststellen, dass Alonissos‘ Strände allesamt die Einsamkeit zelebrieren, wundern wir uns auch schon nicht mehr darüber.
Man gewöhnt sich schnell daran, im Alleingang über wild-romantischen Kies zu schlendern und sich vom Wind die nicht vorhandene Frisur zerstören zu lassen.
Man sollte übrigens nicht der Strände wegen nach Alonissos kommen! Will man sich an der facettenreichen Schönheit griechischer Sand- und Kiesstrände erfreuen, kann man auch gleich in Skopelos bleiben. Manche so schön, dass sie durch den Film Mama Mia mit Meryl Streep und Pierce Brosnan sogar berühmt geworden sind.
Alonissos tut sich diesen Rummel gar nicht an. John Travolta und Robert de Niro sollen hier gewesen sein. So what?
So einsam wie am Strand sind wir auch auf der Straße. Wir sind mit dem Motorroller unterwegs, um zu erkunden, was es sonst noch zu sehen gibt. Zum Beispiel die Chora, die antike Stadt, die so antik gar nicht ist.
Mit zwei Euro trinken wir den teuersten Greek Coffee auf unserer gesamten Sporadenreise. Der sagenhafte Ausblick über das Ägäische Meer ist eben nicht umsonst.
Das Dorf ist entzückend. Mindestens so entzückend wie Spello in Umbrien. So perfekt verträumt und arrangiert, dass es für den kritischen Betrachter schnell an Glanz und Authentizität verlieren könnte. Ein Engländer verkauft Antiquitäten, deutsche Stimmen vor dem Schuckladen. Ein Café auf dem Hauptplatz, das für meinen Geschmack etwas zu viel Healthy-Living-Laune verbreiten möchte.
Hey, Alonissos, bemüh‘ dich nicht, du bist ungeschminkt ja doch viel sympathischer!
Ja, auch die naturverbundenen Aussteiger haben sich hier nach und nach gemütlich eingerichtet. Sie sind hier hängengeblieben, wie manch anderer vielleicht in Ibiza. Sogar ein Yoga- und Massagestudio wird man auf der abgelegenen Sporadeninsel finden. Und eine international angesehene Akademie für Homoöpathie. Interessante Aspekte, die nicht unbedingt den Mainstream ansprechen. Das hat Alonissos auch gar nicht vor.
Vielmehr hält man sich die Attitüde offen: Nett, dass ihr vorbeischaut, aber bleibt bitte nicht zu lange!
Ich war nicht lange da. Nicht lange genug, um der Stille gegenüber misstrauisch zu werden. Statt der geplanten vier Nächte waren es nur drei im Alonissos Beach Bungalows & Suites Hotel. Weil die Montagsfähre im September bereits eingestellt wurde. Ja, schon klar, die Insel möchte wieder ihre Ruhe.
Man kann sich gut vorstellen, dass hier immer dann heimlich ein fröhliches Fest gefeiert wird, wenn der letzte Tourist das 20 Kilometer lange und 4,5 Kilometer breite Nichts wieder verlassen hat.
Ach ja, ich habe ein Souvenir von Alonissos mitgebracht. Stimmt genau, NICHTS! Und dann doch wieder sehr viel. Ruhe. Stille. Ein anderes Gefühl für Zeit. Ich bin mir sicher, dass sich selbst in der Kürze meiner Anwesenheit mein Puls verlangsamt hat. Und mein Blick auf die Welt ein anderer geworden ist. Gut zu wissen, dass es solche Orte noch gibt. Die sich nicht bemühen und nicht verdrehen. Die einfach so sind wie sie sind.
Nachtrag im März 2021:
Ich freue mich, dass der Beitrag so gerne gelesen wird, auch wenn er nicht mehr ganz aktuell ist. Ich kann mir nur wünschen, dass Alonissos das Juwel geblieben ist, das ich vor 5 Jahren vorgefunden habe. Falls du mir auf weiteren Reisen in die Ferne & die Tiefe folgen möchtest, dann solltest du zum Tribe gehören! Das ist ein geschützter Bereich für gleichgesinnte Weltenbummler, in dem ich meine ganz persönlichen Lieblingsplätze teile! HIER erfährst du mehr!
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17 comments
Hy Jeanette!
Danke für den angenehmen Bericht über das kleine Stück Entschleunigung! Ich wollte ja eigentlich nächstes Jahr nach Zakynthos, aber diese angenehme Stille, von der du sprichst, hat mich grad ein bisschen mit der Insel liebäugeln lassen.
Lg, Tanja von http://www.blattgruen.me
Ja, liebe Tanja, wenn dir Ruhe wichtig ist, dann ist Alonissos bestimmt eine sehr gute Wahl! Auch Skopelos kann ich sehr empfehlen. Einfach eine Insel wählen, die keinen eigenen Flughafen hat – und es ist schon mal ein Gewinn! :)
Hi Jeanette!
Deine Bilder sind klasse geworden! Alonissos war mir bisher unbekannt, aber es sieht dort so schön ruhig aus, als könnte man super entspannen. Werde ich mir als Reiseziel auf jeden Fall merken. Vielen Dank!
Liebe Grüße, Gabi
Oh ja, bestimmt einer der besten Plätze zum Entspannen unter der griechischen Sonne! Unbedingt merken! Liebe Grüße, Jeanette
Alonissos befindet sich im Ägäischen Meer, das Ionische ist unterhalb der Adria zwischen italien und Griechenland.
Oh, vielen Dank, ich werde das gleich richtigstellen! Der Name klingt ja auch nach jemandem, der es wissen muss! ;)
Keine Ursache. Der Bericht ist sonst sehr hilfreich. Ich war auf der Suche nach Informationen, weil wir dieses Jahr dorthin wollten…, bis vor Kurzem, denn ich glaube es ist für uns sehr arg ruhig. Meine Frau und der Kleine würden sich sehr schnell langweilen, vor allem meine Frau, sie braucht da schon eine grosse Shoppingstrasse!
Ja, soviel kann ich sagen: Für einen Shoppingbummel ist Alonissos definitiv der falsche Ort! Dann vielleicht lieber Skiathos oder Mykonos… ;)
[…] nach Paros zu fahren. Nicht mal der Umweg von Skopelos zurück nach Skiathos, um von dort aus nach Alonissos aufzubrechen, war mir zu mühsam. Aber es kam mir noch niemals wirklich in den Sinn mit der Fähre […]
Wow.soooo schön ,So still und leise. Liebe Jeanette, danke, dass du es mit uns teilst.
Danke, liebe Marianna! Ich bin mir allerdings gar nicht mehr so sicher, ob es noch immer so ruhig, still und leise dort ist! Solche Orte werden ja immer seltener auf der Welt..
Hi Jeanette,
was ein toller Bericht und unfassbar schöne Fotos! Mein Freund und ich reisen im August nach Skiathos und würden nach der Landung direkt nach Skopelos oder Alonissos schippern. Allerdings können wir uns einfach nicht entscheiden. Leider haben wir nur insgesamt eine Woche Zeit, vermutlich zu wenig um beide Inseln zu besuchen, oder?
LG Kathy
Hi Kathy…doch, das klappt in einer Woche! Man könnte im Prinzip auch nur für einen Tag mit der Fähre von Skopelos nach Alonissos fahren, aber mit 1-2 Übernachtungen ist es natürlich noch schöner. Wir sind auch ganz spontan nach Alonissos weitergefahren, nachdem wir auf Skopelos beschlossen haben, unseren Urlaub einfach noch 3 Tage zu verlängern ;)
Hallo liebe Jeanette,
was für ein wundervoll gelungener Bericht über diese magische Sporaden-Insel. Das kleine Eiland rückt durch deine authentische Schilderung definitiv ein paar Ränge nach oben in der Liste unserer nächsten griechischen Reiseziele :-) Vielen Dank dafür oder wie man auf Griechisch sagt: Efharisto‘ poli‘!
Liebe Grüße von der Insel Nisyros (auch dieses Eiland ist eine Reise wert!),
Tom & Ella von http://www.greece-moments.com
Liebe Ella, lieber Tom,
danke für euren Kommentar…und die schöne Blog-Inspiration, wenn ich das nächste Mal nach Griechenland fahre!
Ich war sogar schon mal auf Nisyros:
https://www.follow-your-trolley.com/instatrip-27-yoga-segeln-griechenland-inseln-kos-nisyros-tilos-symi/
Liebe Grüße an euch & ans Meer, Jeanette
Ich bin sehr gespannt, ob es da wirklich noch so aussieht wie vor 30 Jahren. Mein letzter Besuch auf den Sporaden (Alonissos) ist inzwischen auch schon mehr als 30 Jahre her.
Es tönt auf jeden Fall so, dass das wirklich nach Entspannung pur. ich freue mich riesig auf die grünen Inseln.
Liebe Claudia,
dann lass gerne wissen, wie es bei deinem Besuch war!
Meiner ist ja auch schon wieder ein bisschen her…
Hab‘ eine schöne Reise..