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Urlaub in Lignano: Von endlosen Liegestuhlreihen und purer Nostalgie

Urlaub ganz klassisch. Wo? An der oberen Adria.

Gefragt nach ihrem Urlaubsziel, antwortete eine Freundin einmal: „Italien, ganz klassisch.“ So lassen sich Ferien an der oberen Adria elegant umschreiben, ohne die Worte Jesolo, Lignano, Bibione und Caorle auch nur in den Mund nehmen zu müssen. Doch ganz ehrlich: Wer tut es nicht, zumindest einmal im Jahr? So ein Hausmeisterstrand hat seine Reize. Auch für Flashpacker. Entweder man liebt oder hasst ihn: Urlaub an der oberen Adria. Eine Zeitreise in die 60er- und 70er-Jahre mit dutzenden Hotels, die in den letzten Jahrzehnten bestenfalls die Glühbirnen ausgewechselt haben.

Kann man sich für endlose Liegestuhlreihen, 3-Sterne-Pensionen mit Retro-Flair und für die mit allerlei Aufblasbarem bepackten Familien, die im Morgengrauen zum Strand pilgern, erwärmen, so wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits im frühen Kindesalter jene Nostalgie manifestiert, die man heute empfindet.

Und dabei ist es ganz und gar nicht egal, welchen Ort man 20 oder 30 Jahr später ansteuert. Denn da wären die Lignano-Fetischisten, die Bibione-Addicts, die Caorle-Beschwörer und die Jesolo-Freaks. Jede Gang hat ihr Revier. Und das auf Lebenszeit. In meinem Fall lautet das Credo: Einmal Lignano, immer Lignano. Genauer gesagt: Lignano Pineta. Ins Hotel Daniele. Und das zumindest einmal im Jahr. Obwohl es dort gar nicht mal so furchtbar retro ist. Es handelt sich auch nicht mal um eine Hotelburg in erster Strandreihe.

Doch es gibt andere Gründe, die für das unspektakuläre, aber liebevoll geführte Hotel Daniele sprechen:

1. Das Hotel ist hundefreundlich – in Italien alles andere als selbstverständlich.

2. Im Daniele wartet das beste Frühstück, das Italien je gesehen hat. Wie man weiß, hält der Durschnittsitaliener ja nicht viel vom ausgedehnten Morgenmahl. Sympathie hege ich zudem für die Frühstückszeiten, die sich mit 8 bis 11 Uhr stark am südländischen Lebensstil anlehnen, welcher wiederum mit meinem Biorhythmus konform geht.

3. Es geht nichts über die liebevoll vom Chef des Hauses servierten Aperol Spritz in der hoteleignen Bar, ehe man 5 Meter weiter in sein Schlafgemach entschwindet. Und wenn es sein muss, nimmt man auch gerne noch einen Averna mit Eis und Zitrone. Man ist ja schließlich in Italien!

Urlaub an der Adria: Alles bleibt so, wie es ist.

Doch was treibt uns eigentlich alljährlich an Orte, die so schön gar nicht sind? Überall sonst würde man angesichts der hässlichen  Hotelbauten die Mundwinkel verziehen, vor den überfüllten Stränden die Flucht ergreifen und beim Anblick der trüben Salzwassersuppe die Nase rümpfen.

An der oberen Adria gelten andere Gesetze. Vielleicht sind es erwachte Kindheitserinnerungen, vielleicht ist es das unkomplizierte Leben, das so herrlich unverdorben nach Urlaub riecht. Unbemüht und echt.

Ein Platz, an dem man sicher ist, an dem man weiß, was einen erwartet, weil sich nichts verändert. Man könnte das vergilbte Polaroid mit der Wirklichkeit vergleichen und erleichtert feststellen, dass es noch Dinge gibt, die so bleiben wie sie sind.

Italienisches Lebensgefühl atmen

Vielleicht möchten wir vom Dolce Vita naschen – eine Disziplin, die in Lignano oder Jesolo ebenso gut funktioniert wie in Rom, Olbia oder Palermo. Italiener können nämlich Dinge, die wir nicht können:

  • Am Espresso nippen, als würde die Welt dabei stehen bleiben.
  • Öffentliche Streitgespräche führen und dabei immer noch so klingen, als würde man ein Lied singen.
  • Spaghetti essen ohne dick zu werden, weil die überdimensionierten Kohlehydratmengen mit italienischer Lebensfreude verbrannt werden.
  • Ohne Altersbegrenzung rote Stringbadehosen tragen. (Achtung: Ein Phänomen, das in Italien funktioniert und wirklich nur dort! Und auch nur dann, wenn man Italiener ist!)

Das Gute dabei: Ist man erst einmal mittendrin, darf man auch daran teilhaben. Man darf…

  • …mit vierrädrigen Biciclettas ausfahren ohne Rot zu werden
  • …mit billigen Flip-Flops ins Ristorante schlurfen, um Berge von Spaghetti zu verdrücken
  • …mit Luftmatratze, Boccia und einem ganzen Wohnzimmer bewaffnet zum Strand aufbrechen
  • …sich dort bei 30 Grad durch gefälschte Gucci-Taschen wühlen
  • …frohlockend von der Liege springen, wenn der „coco bello, coco fresco“-Ruf des Kokosnussverkäufers in greifbarer Nähe ertönt
  • …und im Stundentakt eine neue Gelato-Sorte verkosten

Ja, man darf so ziemlich alles, was man zu Hause nicht darf oder soll. Das ist Lebensfreude, das ist   Leichtigkeit, das ist Freiheit. Unbändige Freiheit. Leicht zu haben. Greifbar. So wie damals, als Urlaubserinnerungen noch mit Polaroidkameras festgehalten wurden…

Der FYT Flashpacking Tipp:

Schon mal einen Ghost-Trip an die obere Adria gemacht? Im Februar oder November, wenn nur die Stiele der Sonnenschirme aus einsamen Endlosstränden herausragen. Wenn man beim Spaziergang durch duftende Pinienwälder keiner Menschenseele begegnet. Wenn sich Hunde und Kitesurfer das Strandrevier teilen und die Suche nach einer geöffneten Pizzeria zur echten Herausforderung wird. Einkaufsstraßen, die der verlassenen Kulisse einer Westernstadt gleichen, mit Geschäften, deren Auslagen mit Zeitungspapier verklebt sind. Urlaub so skurril, anders und kostengünstig, dass es einfach einen Versuch wert ist! Übrigens: Das Hotel Daniele hat ganzjährig geöffnet!

 

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6 comments

  1. Da kommen tatsächlich Kindheitserinnerungen hoch, seufz!!! Vielleicht sollte ich wirklich mal wieder hin; November klingt nach einer vernünftigen Zeit…

  2. Auch der Oktober ist gerne genommen! Da lässt es sich meist sogar noch herrlich ins Meer eintauchen!

  3. […] Toskana und Umbrien. Italien geht immer. Und wenn die Zeit knapp wird, dann tut’s auch ein Wochenende an der oberen Adria. Dann Sardinien. Und das eigentlich nur, weil der Flug so grandios billig war. Doch wer bereut […]

  4. Ich kann den Urlaub an der oberen Adria natürlich nur aus meiner Sichtweise schildern, daher empfinde ich ihn nicht als so besonders klischeehaft wie man andere. Mir ergeht es da wie dir, wenn ich die letzten Absätze deines Berichtes lese: Ich liebe einfach dieses lockere und leichte Lebensgefühl der Italiener – eben das „Dolce Vita“ – und lasse mich gerne von gutem, italienischen Wein, hausgemachter Pasta und frischen Oliven verführen.

  5. Du hast so recht es ist für mich und meine Kids ein muss einmal im Jahr nach jesolo zu fliegen.
    Für uns gibt es nix schöneres und umkomplizierteres.
    Wir machen seit 1992 da Urlaub im Hotel Heron.
    Sehr zu empfehlen für Familien.

    1. Das klingt wunderbar, liebe Manuela! Aber überlege dir gut, welche gut gehüteten Tipps du weitertragen möchtest! Am Ende wollen alle da hin!;) Ich hab in meinen letzten Jubiläumsposts ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt! Lies‘ gerne mal rein:

      https://www.follow-your-trolley.com/wohin-wollen-wir-reisen-10-jahre-reiseblog-follow-your-trolley-part-1/
      https://www.follow-your-trolley.com/wohin-wollen-wir-reisen-10-jahre-reiseblog-follow-your-trolley-part-2/