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Von kleinen Fluchten und falschen Fährten: Mallorcas Ostküste im Spätherbst

Im Hochsommer sollte man besser nicht nach Mallorca reisen. Viel schöner ist es, der Baleareninsel im Oktober oder November einen Besuch abzustatten.

Es ist ruhiger geworden, im Flugzeug, am Flughafen. Nicht ruhig, aber ruhiger. Zumindest so ruhig, dass die eintreffende Masse die Chance hat, sich auf den verfügbaren Quadratmetern, den Hotels, Golfplätzen, Stränden, Küsten und Bergen angemessen zu verteilen. Ende Oktober, wenn die Insel wieder anfängt zu atmen. Wenn alles, was aufgebaut wurde, um den Touristen zu gefallen, wie ein Kartenhaus sanft in sich zusammenfällt. Eine Pause. Selbst das Meer scheint die Fronten zu wechseln, von gefällig zu ungezähmt. Fast als wollte es sagen: Ich habe euch nur etwas vorgespielt, einen ganzen Sommer lang. Doch es ist und bleibt das Mittelmeer, das zu Saisonende eben gerne Atlantik spielt.

SO STILL, DASS ES FAST UNHEIMLICH IST. Man kann nicht glauben, dass es so einsam und still sein kann auf Mallorca. Dass der Sandstein weiterhin sattgelb leuchtet, darauf geeicht, jeden Sonnenstrahl bereitwillig zu reflektieren. Irgendwo im Osten in der Nähe von Santanyi, dort wo ein immer größer werdendes Hanseaten-Rudel unauffällig zu überwintern versucht, liegt das Landhotel Sa Galera. Ein entzückendes Landgut, das etwas Verwunschenes hat. Es schwebt eine sonderbare Stille zwischen romantisch verfallenem Gebälk und einem Himmel, der keine Mühe hat, sich von strahlendem Blau in dramatische Wolkenformationen zu verwandeln. Einziges Geräusch: Die Glöckchen, die man im Affekt einer Herde Schafe zuordnen würden. In Wahrheit läuten zwei Esel den Morgen und den Abend ein. Man könnte denken, hier ist etwas faul, die Ruhe und überhaupt alles nur Fassade, zu schön, um wahr zu sein. Erleichtert stellt man fest, dass man nicht zu den einzigen Flüchtlingen zählt, die den Weg hierher gefunden haben. Gäste aller Alterstufen und Neigungen auf der Flucht vor dem Alltag und einem langsam in die Gänge kommenden Winter, versammeln sich – zahlreicher zum Frühstück als zum Abendessen im Restaurant – angenehm unprätentiös statt feierlich, um abseits der Essenszeiten in alle Himmelsrichtungen zu entschwinden. Mit klassischer Hotelatmosphäre wird niemand konfrontiert, vielmehr ist dieser Platz wie ein Besuch bei wohlhabenden Freunden, die selten da sind. Sturmfreie Finca sozusagen.

EIN ROADTRIP AUF MALLORCA? Das geht. Auch wenn der Mietwagen nur ein Polo von Sixt ist und nicht Thelma und Louises‘ Ford Thunderbird. Vorbei an unzähligen Windmühlen und den knorrigen Mandelbäumen, die erschöpft vor sich hin dösen. Schließlich sind sie die ersten, die wieder an die Front müssen – als erstes Lockmittel im Februar, das nach Frühbucherrabatt riecht. Man landet in Es Trenc, um sich zu überzeugen, ob das Meer auch im Oktober die hoch gepriesenen karibischen Farbkompositionen vorweisen kann. Vorbei an den Salzbergen von Ses Salines wartet doch tatsächlich der Parkwächter mit saisonübergreifender Ausdauer, um die sommerverwöhnten 10 Euro für den auto- und menschenleeren Parkplatz einzufordern. Ja, vielleicht ein Eremit, der auf diesem Weg das Gefühl von Einsamkeit zu begreifen versucht.

DORT ANKOMMEN, WO MAN NICHT HINWOLLTE. Plan B führt nach Cala Mondragó und Cala d’Or – hier tut man so, als gäbe es ihn tatsächlich, den Endless Summer. Julio Iglesias aus dem Lautsprecher und viel zu teurer, viel zu schlechter Café con Leche aus suppentopfähnlichen Tassen mit Sixties-Flair. Also genau so, wie ich ihn nicht mag. Ja, es stimmt, auch Kaffee aus Gläsern geht mir gegen den Strich. Allerdings ist es gerade spanischer Café con leche und portugiesischer Galão, die sich diesen Streich erlauben dürfen, ja sogar sollten oder müssen. Abgesehen vom Kaffee, der keiner ist: Halb Deutschland suhlt sich auf dem Strand, um kurz vor Schluss die Hautfarbe noch eine Nuance zu vertiefen. Es ist, als wäre immer noch August. Und als wäre es der letzte in diesem Universum.

Spielt man Roadtrip ohne Navi, verfährt man sich auf der Flucht vor hochsommerlichen Szenarien garantiert. So passiert es, dass man in Colònia de Sant Jordi landet. Dort, wo man eigentlich nie hinwollte und auch gleich weiß warum. Doch selbst die Tristesse, für die sich die im Stich gelassenen Hotelbunker verantwortlich zeigen, hat angesichts der herbstlichen Wellengewalt einen gewissen Reiz. Plötzlich ist es nicht mehr still. Es ist ohrenbetäubend laut, wenn sich das Salzwasser so übermütig überschlägt, dass die damit getränkte Luft wie Nebel über der Küste hängt. Das iPhone nimmt es mir trotz des rauen Luft-Wasser-Salz-Gemisches nicht übel, dass es mangels mitgebrachter Kamera gebeten wird, die Stimmung festzuhalten…und voilà, hier findet man sie nun: Mallorcas Ostküste in Bildern – kurz vor ihrem Winterschlaf.

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3 comments

  1. Klingt nach einer guten Jahreszeit, um Mallorca zu besuchen. Ich war vor einigen Jahren zum ersten Mal dort und kam mit den üblichen Klischeevorstellungen dort an. Neben Tausenden von Radfahrern, die sich Anfang März überall auf der Insel sogar über die steilsten Berghänge quälten, waren wir auf unserem Roadtrip durch Mallorca unterwegs und sehr überrascht, wie schön manche Ecken der Insel sind. Das war sicher noch nicht das letzte Mal, dass wir auf der Balearen-Insel waren. Und die Mandelblüte hört sich gut an :)

  2. Ich kenne die Insel zu jeder Jahreszeit. Oktober ist mein absoluter Reise-Lieblingsmonat! März-Mai ist auch super. Nur Juli und August sollte man wirklich meiden, wenn man das ruhige und unberührte Mallorca entdecken will.

  3. […] bei 35 Grad im glasklaren Wasser vor sich hin plantschen zu müssen. Ach ja, noch so ein Klassiker: Mallorca. Das geht quasi so mit in einem Reisejahr. Eine Finca wurde gebucht und eine Yogareise daraus […]