SCHÖNE HOTEL-WEBSITEN SORGEN FÜR GROSSE ERWARTUNGEN. MIT DURCHGESTYLTEN BILDERN IM KOPF CHECKE ICH IM FLUSHING MEADOWS HOTEL EIN – UND ERLEBE EIN… BLAUES WUNDER? ABER NEIN. NUR EIN ZIEMLICH UNERWARTETES DESIGN-DÉJÀ-VU.
Das Raunen meiner treuen Reisebegleitung ist kaum zu überhören, als wir vor dem Eingang des Flushing Meadows ankommen. Keine einladende Glasfassade, stattdessen ein bronzefarbenes Logo, das man im ersten Anlauf gerne mal übersieht, und eine schlichte Metalltür, die man kaum einem Hotel zuordnen würde. Die unterschwellige Botschaft: Wir sind lieber Club als Hotel. Erwarte keinen Portier, sondern bestenfalls einen Türsteher. Als wir uns den Weg zum Aufzug bahnen und Lounge-Musik über unseren Köpfen hallt, bekommt meine Begleitung diesen Blick. Ja, genau den: enttäuschte Mundwinkel, abgeklärtes Augenrollen. Ok, ja, ja, ich hätte es wissen müssen.
Nein, nicht hinter schweren Vorhängen nach freundlichen Gesichtern suchen, sondern dem bronzefarbenem Logo folgen. Ist doch ganz einfach! Also fahren wir mit dem Aufzug in den vierten Stock. Dort liegt ein Wattestäbchen auf dem Boden, das die Putzfrau wohl im Eifer des Gefechts verloren hat. Überhaupt scheint man sich noch nicht so richtig vom Vorabend erholt zu haben. „Heute ist es ganz ruhig, aber gestern war hier richtig was los“, erklärt das junge Mädchen-für-fast-alles und zeigt uns das „Wohnzimmer“ des Hotels. Der angebliche Place-to-be für Einheimische und Reisende wirkt an jenem Sonntag Nachmittag ziemlich ausgestorben. Ein Paar kreuzt unseren Weg und fragt verloren: „Können wir hier irgendwo einen Kaffee bekommen?“ Na, klar, Leute, das ist doch hier wie bei guten Freunden! Während man sich bemüht, lässige Gastfreundschaft zu demonstrieren, mache ich eine Gedankenreise ins 25 hours Hotel Bikini Berlin. Sieht deren „Wohnzimmer“ samt Kelim-Teppich und skandinavischem Fifties-Mobiliar nicht genauso aus, nur größer? Die Rooftop Bar preist man dort genauso als Highlight an wie hier, auch wenn ich in der Flushing Meadows Bar außer einem schmalen Terrassenstreifen, der sich vor der Kulisse des urbanen November-Nebels auftut, nicht viel Eindrucksvolles erkennen kann.
Die Hotelführung ist rasch beendet, denn viel mehr als den „vertrauten Rückzugsort und anregenden Treffpunkt für weltoffene Reisende und Gleichgesinnte“, wie es auf der Website heißt, gibt es nicht zu sehen. Für eine klassische Lobby ist das Flushing Meadows viel zu cool. Die Rezeption – spießig hin oder her, irgendwo muss man seine Gäste ja schließlich einchecken – ist nicht mehr als ein simpler Schreibtisch im Treppenhaus, welches übrigens gar nicht erst versucht, seinen in die Jahre gekommenen Sixties-Style zu verbergen. Warum auch, für den authentischen Vintage-Effekt lässt man die Dinge einfach wie sie sind. Wir werden zu den Loft-Studios eine Etage tiefer geleitet und lassen uns auf dem Weg durch den schlauchförmigen Flur erzählen, dass jedes Zimmer individuell eingerichtet wurde. Die Initialen des Designers prangen neben dem Türrahmen. Cathal McAteer hat unser Zimmer designt. Unser Mädchen-für-fast-alles spricht den Namen so aus, als müsste man ihn kennen. Er ist ein Freund oder Verwandter des Hotelinhabers und lebt in London. Mein staunendes „Ahh“ muss ich faken. Ich kenne den Herrn nicht und es beeindruckt mich auch nicht, dass er in London lebt. Ich schaue meinem Partner nicht in die Augen, weil er sie garantiert immer noch nach oben rollt und mich verflucht, weil ich nicht einfach das gediegene Hotel Excelsior mit seinen Hirschgeweihen und Kronleuchtern gebucht habe.
In solchen Momenten nickt man höflich, wenn man gefragt wird, ob einem das Zimmer gefällt. Und dann lässt man sich am besten einfach mal aufs Bett fallen. Und während man den, bei Designhotels wohl obligatorischen Sichtbeton an der Decke ganz deutlich im Blick hat, bekommt man das Gefühl, schon mal hier gewesen zu sein. Ach ja, genau, weil es so aussieht wie im Daniel in Wien. Ok, nicht genau so, denn die gläserne Dusche steht zum Glück nicht mitten im Zimmer, aber unterm Strich kommt das Arrangement aufs Gleiche raus. Designhotel eben. Man muss sich fragen, was „individuelles Design“ heutzutage eigentlich sein soll, wenn doch jeder dasselbe macht? Wenn man überall auf Sichtbeton setzt, auf weiß glänzende Fliesen im Badezimmer, auf die skandinavische Stehlampe in der Ecke, auf übereinander gestapelte Holzpaletten oder Kelim-Teppiche. Welche Menschen sind das, denen angesichts von Nespresso-Maschinen und Sound-Anlagen in ihren Zimmern noch ein begeistertes „Wow“ entgleitet? Wer träumt schöne Träume umringt von kaltem Beton? Wer kann sie noch sehen, die freiliegenden Belüftungsrohre, die New Yorker Loft-Atmosphäre verströmen sollen?
Nun gut, wollen wir mal nicht so streng sein. Das Flushing Meadows kann schließlich nichts dafür, dass ich zuvor in anderen Hotels war, die Design auf ganz ähnliche Weise interpretieren. Immerhin habe ich trotz Sichtbeton dennoch gut geschlafen, was wohl den Coco-Mat Naturmatratzen zuzuschreiben ist. Das Zimmer war groß genug, um vor dem Bett eine Yogamatte auszurollen oder ein kleines Workout zu absolvieren. Das Badezimmer tat sein Bestes, um zu glänzen. Die bronzefarbenen Armaturen waren zumindest kein mainstreamiger Anblick, auch wenn der minimalistische Duschkopf nicht ganz überzeugen konnte. Das Frühstück haben wir im Café Pini in der Klenzestraße eine Häuserecke weiter eingenommen. Zwar wird im Flushing Meadows um 11 Euro pro Nase ein „kleines Frühstück“ angeboten, doch die Vermutung liegt nahe, niemand ist böse, wenn man gleich woanders hingeht. Punkten kann das Hotel mit seiner Lage im Glockenbachviertel. Nur ein paar Schritte von der U-Bahn-Station Fraunhoferstraße entfernt, Gärtnerplatz und Isar sind auch nicht weit.
Fazit: Auch wenn das Flushing Meadows oberflächlich genau ins Flashpacker-Beuteschema passt, fehlt’s beim genaueren Hinsehen an der Uniqueness. Das Designkonzept wirkt nachgeahmt und kann bei 145 Euro pro Nacht nicht überraschen. Mich wie „ein weltoffener Reisende, der einen vertrauten Rückzugsort findet“ zu fühlen – das ist mir leider nicht gelungen. Vielleicht entfaltet sich der Charme der Flushing Meadows Rooftop Bar an einem Sommertag ja leichter als an einem trüben November-Wochenende.
THE FLUSHING MEADOWS HOTEL & BAR
Fraunhoferstraße 32, 80469 München www.flushingmeadowshotel.com
Dinge, die man nicht erwarten würde…
- Coco-Mat Naturmatratzen
- Wohnzimmer-Atmosphäre, die sich heimlich im vierten Stock offenbart
Dinge, die man vermissen könnte…
- schöne Ausblicke von den Loft-Studios
- eine echt spießige, aber manchmal doch ganz praktische Lobby
- eine echte Rooftop Bar, die in Wahrheit nur eine Bar mit schmaler Terrasse ist.
2 comments
Das Bad gefällt mir richtig gut :)
Ja, ist mal ein bisschen anders als das, was man kennt! ;-)