Fast schon provokant klingen Emersons Worte in den Ohren eines Reisenden. Doch steckt in diesem Zitat nicht auch ein bisschen Wahrheit?
„Nicht in die Ferne, in die Tiefe sollst du reisen.“ – So lautet eines der berühmtesten Zitate von Ralph Waldo Emerson. Doch wer ist dieser Emerson eigentlich? Ein ziemlich spannender Mann mit einem ziemlich unspektakulären Leben, wie ich finde. „In Emersons Lebenlauf war nichts von dem, was die Franzosen la vie à grande vitesse nennen“ – so beginnt das Vorwort des Buches „Von der Schönheit des Guten“ mit Betrachtungen und Beobachtungen des Autors, der 1803 in Boston geboren wurde. Es sind jene Anschauungen und Lebensweisheiten, die tagebuchartig auf losen Blättern verfasst.
Die zeitlose Schönheit seiner Worte passt so gut in die Gegenwart, dass es fast unheimlich ist. Ich habe oben genanntes Buch auf meinem Roadtrip durch Portugal gelesen und großartige Passagen darin entdeckt. Auch wenn man klar sagen muss, dass Ralph Waldo Emerson alles andere als ein Flashpacker war. Der Mann der weisen Beobachtungen hatte es nicht so mit dem Reisen. Von Europa hat er nicht viel mehr als Italien gesehen. Über die Idee des Reisens hatte er sich dennoch einige Gedanken gemacht. Und auf eine Weise hat er sogar ein bisschen Recht, wenn wir uns seine Worte ehrlich und nachdenklich auf der Zunge zergehen lassen:
Reisen ist des Narren Paradies
Unsere ersten Reisen zeigen uns, dass alle Orte gleich sind. Zu Hause träume ich davon, dass ich mich in Neapel, in Rom an Schönheit berauschen und meine Melancholie verlieren werde. Ich packe meinen Koffer, umarme meine Freunde, steche in See und wache glücklich in Neapel auf. Aber da sitzt noch immer neben mir jene starre, unerbittliche, unveränderte Tatsache meines traurigen Ich, vor der ich geflohen bin. Ich gehe in den Vatikan, in die römischen Paläste. Ich bilde mir ein, dass ich von den Bildern und Anregungen berauscht bin, aber ich bin es nicht. Mein Riese folgt mir auf Schritt und Tritt, wohin ich auch gehe.
Der Stoff, aus dem die Länder gemacht sind, ist überall derselbe.
Glaubst du wirklich, dass es irgendein Land gibt, in dem man nicht Milch kocht, Kinder wickelt, Reisig brennt und Fische kocht? Was irgendwo wahr ist, ist überall wahr. Und du kannst hingehen wohin du willst, du kannst immer nur soviel Schönheit und Wert vorfinden, als du selbst mitbringst.
{Ralph Waldo Emerson}
Nicht, dass mich diese Einsichten vom Reisen abgehalten hätten und auch die Freude am Unterwegssein, habe ich nach Emersons Buch bestimmt nicht verloren. Der Hintergrund des Bildes ist übrigens eine Häuserwand in Torres Vedras. Wäre ich nicht neugierig und offen auf meine Reise durch Portugal gegangen, hätte ich diesen Ort nie gesehen…
2 comments
Ich kenne Ralph Waldo Emerson gar nicht, muss ich unbedingt nachholen. Er hat ja schon Recht, wenn er sagt, dass überall Milch gekocht wird – aber eben nicht auf die gleiche Weise ! Hier in Peru hole ich meine auf dem Markt ab, wo sie im Plastikzuber verkauft und mir im Plastiksack überreicht wird. Dann ab nach Hause zum Aufkochen und in unser sterilisiertes Milchkännchen. Milch mit viel Sahne, die schon fast von selber zur Creme oder Butter wird – und ausserdem noch viel günstiger als abgepackte, sterilisierte Halbfett-Milch (die es hier natürlich auch gibt). Die Welt ist manchmal verkehrt…
Aha, so ist das also mit der Milch in Peru – danke, für den interessanten Input! Ja, alles ist überall gleich und doch wieder anders – und deshalb lieben wir wohl auch das Reisen! Ralph Waldo Emerson war kein großer Freund des Reisens, umso spannender finde ich daher seine immer noch aktuellen Blickwinkel, die auch nicht ganz verkehrt sind!