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Über das Reisen und die Kunst, in der Ferne ein Stück Heimat zu entdecken.

Vorsicht: Es könnte persönlich werden. Nostalgisch und philosophisch. Es folgt ein kleiner Reiserückblick auf das Jahr 2012 – als Dank dafür, dass die Welt nicht untergegangen ist. Doch wenn wir schon mal dabei sind: Wer weiß, was noch kommt? Vielleicht ha die Apokalypse ja Verspätung. Es läuft schließlich nicht immer alles nach Plan. Züge, die man verpasst, Flüge, die ausfallen und der Bus, der einem vor der Nase davonfährt. Doch mal ganz global betrachtet: Wird Raum und Zeit nicht umso bedeutungsloser, je weiter und öfter man reist? Ist Heimat kein Ort, sondern vielmehr ein Gefühl, das einem überall begegnen kann?

Es geht um’s Reisen. Natürlich, worum auch sonst, dies ist schließlich ein Reiseblog! Also einfach in die Tasten gehauen und ein schönes Reisethema kreiert, ganz schnell noch vor Weihnachten. Man könnte über diese fantastischen Hotels schreiben – unter Wasser, im ewigen Eis oder vielleicht schon am Mond. Oder eine Top 5-Liste mit den genialsten Silvesterdestinationen rund um den Erdball zusammenstellen. Die Bräuche zum Jahreswechsel in unterschiedlichen Kulturen – ja, auch daraus ließe sich etwas machen, wenn auch schon 1000 Mal gehört.

Perugia, Umbrien / April 2012

Man könnte im eigenen Archiv kramen. Und da kämen sie zu Tage, die Destinationen des Jahres 2012. Da war doch der nette Ausflug nach Umbrien, welch landschaftliche und kulinarische Pracht! Man könnte aber noch viel tiefer in der Reisevergangenheit wühlen. Und es käme vielleicht die Geschichte von den Fiji-Inseln zu Tage. Als wir uns gierig über das Silvesterbuffet gestürzt haben, um danach noch ein Nickerchen im Hotelzimmer zu halten. Fast hätten wir das neue Jahr verschlafen. Zum Feuerwerk kamen wir zu spät. Die Uhren auf Fiji gehen zwar langsamer, was aber auch bedeutet, dass man einfach dann 10, 9, 8, 7… zu zählen beginnt, wenn man eben meint, jetzt würde es eben gerade gut passen. Zeit, was ist das schon?

Man muss die Welt nicht neu entdecken. Aber man sollte nicht nur an einem Ort verharren.

Irgendetwas in mir sträubt sich, eines der aalglatten Jahresausklangs-Reisethemen aufzugreifen. Zu viel war passiert in diesem 2012er-Jahr, das diesen Exkurs in die Philosophie des Reisen vermeiden hätte können. Es war dieser ständige Aufbruch und Umbruch, das Gehetze von einem zum anderen Ort, ob man gerade wollte oder nicht. Natürlich wollte ich, oder die Welt wollte und ich musste mit. Ich bin eben ein kofferpackendes Wesen, das so seine Probleme damit hat, ohne Reisepläne an einem Ort zu verharren. Und warum auch nicht verreisen, was spricht schon dagegen? Die Algarve, immer wieder gern genommen, um die ersten Sonnenstrahlen des Jahres einzufangen. Indien – meine experimentellste Reise dieses Jahres. Vom Roadtrip durch Rajasthan über den Zwischenstopp in Mumbai bis zum Ashtanga-Workshop in Goa. Es musste sein und es war anstrengend, aber gut.

Jaipur, Indien / Februar 2012

Ja, und dann eben ein bisschen Toskana und Umbrien. Italien geht immer. Und wenn die Zeit knapp wird, dann tut’s auch ein Wochenende an der oberen Adria. Dann Sardinien. Der Konsequenz halber (Italien hat eben auch Inseln) und vor allem deshalb, weil der Flug so unverschämt billig war. Und wer bereut schon, bei 35 Grad im glasklaren Wasser vor sich hin plantschen zu müssen. Ach ja, noch so ein Klassiker: Mallorca. Das geht quasi so mit in einem Reisejahr. Eine Finca wurde gebucht und eine Yogareise daraus gemacht. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der entweder im herabschauenden Hund den Morgen einläutete oder Rosé-trinkend am Pool über das Leben philosophierte. Das war im Oktober, der Sommer also schon fast vorbei. Kaum zu Hause angekommen, wieder in den Flieger gestiegen. Ich hatte vergessen, mich in gewohnter Theatralik vom Meer zu verabschieden. Nochmals Mallorca. Um ein letztes Mal, Atem und Zeit anhaltend, in das salzige Wasser einzutauchen als wäre es das allerletzte Mal. Man weiß ja nie. Apokalypse und so. Eine Woche später spätherbstliches Kontrastprogramm: Die „Trolleygirls“ erledigten ihren obligatorischen London-Trip mit allem, was dazugehört: Frühstücken, Shoppen, Essen, Reden, Reden, Reden. Und dann ist plötzlich ein Tag nach Weltuntergang und man ist froh, noch einen Trumpf in der Tasche zu haben: ein Flugticket nach Lissabon und weiter nach Faro. Irgendwie muss die Algarve an Jahresanfängen und -enden immer dran glauben. Und bisher hat sie mich noch nie enttäuscht und selbst im tiefsten Winter die Temperaturen nach oben geschraubt.

Praia do Amado, Algarve / Januar 2012

Heimatlos, rastlos, gottlos? Oder sich absichtlich in Raum und Zeit verlieren?

Die Nostalgie, die einem Reiserückblick innewohnt, hätten wir somit abgehakt. Wo bleibt also nun das Philosophische? Das kommt dann zu Tage, wenn man grübelt, was es mit diesem Reisen auf sich hat und warum es schon so viele vor einem selbst getan haben. Ob Christopher Columbus, Ernest Hemingway oder Marc Twain. Und das nicht, weil deren Beweggründe so ähnlich oder so verschieden waren, sondern weil mir diese Namen gerade so in den Sinn kommen. Sind es die Heimatlosen, die scheinbar grundlos in die Ferne schweifen? Sind es die Gottlosen, weil sie nicht wissen, dass ihre Seele ohnehin überall hin mitkommt, sie ihre alte Haut niemals abstreifen können? Oder die Getriebenen, die stets hastig und ruhelos, das Glück an einem anderen Ort, einem anderen Kontinent, einem anderen Seinszustand suchen und doch niemals finden. Weshalb sich auch der chronisch Daheimgebliebene, bewegungslos auf dem Sofa hockend, weiser fühlen darf als er tatsächlich ist. Nein, ich denke, die Essenz des Reisens ist eine ganz andere. Sehnen wir uns nicht alle nach Ein- und Demselben? Nach Heimat, nach Geborgenheit, nach Glücksgefühlen eingebettet im Gewohnten? Doch da ist auch das Fernweh, die Abenteuerlust, die Sehnsucht nach Freiheit. Warum wir Reisenden mutig genug sind, immer wieder in das Ungewisse aufzubrechen, uns auf das Unbekannte einzulassen und frisch gebaute Nester sogleich wieder zu verlassen, liegt auf der Hand: Wir erkennen unsere Heimat in der Ferne. Wir kommen an und sind zu Hause, egal wo das ist. Zu Hause, das kann überall sein. Auch wenn man zuvor noch niemals an diesem Ort gewesen ist. Vielleicht ist es auch kein Ort, sondern vielmehr ein Gefühl. Wer Wurzeln schlagen möchte, schließt einfach die Augen und vergräbt seine Zehen im Sand.

Algarve, Portugal / fernab von Raum und Zeit

Und haben wir es nicht selbst erlebt? Die vormals Fremden, die zu Freunden wurden. Uns gastfreundlicher aufnehmen, als es die Menschen in der eigentlich „Heimat“ je tun würden. Ihre Welt, die zu unserer wird, auch wenn wir die Sprache kaum verstehen, von den Gepflogenheiten ganz zu schweigen. Distanzen werden bedeutungslos, denn womit soll man sie auch messen? Dass Alicante 2000 Kilometer von Gartenzwerg, Jägerzaun und Sonntagskuchen entfernt ist, ist eine glasklare Sache. Aber ist man bereits fern der Heimat, wird jeder Zwischenstopp im Niemandsland zum Augenblick, der zählt. Im Grunde verhält es sich mit Raum nicht viel anders, als mit Zeit auf Fiji. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich an dem von Gartenzwergen wohl entferntesten Ort, an dem ich jemals war, Wanduhren oder Armbanduhren gesehen habe. Wenn doch, können es nicht viele gewesen sein. Fragte man nach der Uhrzeit, erhielt man stets nur eine Antwort: „It’s Fiji-Time!

Ganz bestimmt bin ich nicht die einzige, die in der Ferne oft mehr Heimat findet, als an dem Ort, der sich im eigentlichen Sinne „Zuhause“ nennt. Hat nicht jeder Reisende ein entferntes Zuhause, das er auf langen Wegen erst entdecken muss? Wenn ja, wo ist dein wahrer Bestimmungsort und wie hast du ihn gefunden? Das Apokalypse-Zeitalter macht mich ziemlich neugierig…

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