Die Villa Verdin passt in keine Schublade. Was in London oder Kopenhagen niemanden überraschen würde, ist auch am Millstätter See längst eine Institution.
Egal, welche Schublade man öffnen würde, die Villa Verdin passt nicht hinein. Die durchgesessenen Sofas, die im Wintergarten gemütliche Wärme ausstrahlen. Die Biedermaier-Möbel und die Ölgemälde an der Wand, über welchen wie selbstverständlich glitzernde Discokugeln hängen. Die Villa Verdin ist ein surrealer Mix aus Allem und Nichts. So unwirklich und doch echt. Ein Geheimtipp, der schon längst keiner mehr ist und wieder doch. Die bunte Gästeschar macht die Facetten der Villa Verdin noch ein bisschen reicher. Hier fühlt sich wohl, wer es sonst nirgends kann, weil er zu berühmt, zu unangepasst oder einfach anders ist. In der Villa Verdin findet jeder sein temporäres Zuhause. Auch wenn man keine schillernde Persönlichkeit ist, darf man hierher kommen, schnell seine 7 Sachen in die in die Jahre gekommenen Zimmer werfen und mit den Gastgebern ein Schwätzchen halten, bevor man durch den Garten flaniert und dort den roten Pelargonien und den mit ausgeblichenen Gummiseilen bespannten Stühlen begegnet. Alles ist so, als wäre man in den Siebzigern hängengeblieben. Es ist kein aufgesetzter Vintage-Style. Die Dinge haben sich nur ganz einfach nicht verändert. Der einzg offensichtliche Luxus wartet am Seeufer: der hauseigene Badesteg. Ein Sprung in den tiefen Millstätter See ist eines der ersten Dinge, die man tut, weil man sie tun muss.
Später sitzt man beim Abendessen, am liebsten auf der Veranda. Manchmal chic zurechtgemacht, doch wenn die Zeit zwischen dem letzten Rosé am Steg und dem ersten Gang – wie wär’s mit den Artischocken nach Art des Hauses? — zu kurz war, kann es auch sein, dass man da sitzt mit feuchten ungekämmten Haaren, Jeans und irgendeinem T-Shirt, unter dem der Bikini hervorblitzt. Das Gute daran: In der Villa Verdin ist das egal. Es gibt keine Regeln. Nur eine einzige besagt, dass derjenige, der alleine kommt, nicht alleine bleiben soll. Und so rücken wir vier ein wenig näher zusammen, um den Alleinreisenden am Nebentisch auf ein Glas Wein und ein Gespräch einzuladen.
Der Abend wird lang. Vielleicht weil das zur Hausordnung gehört und ich sie nur noch nicht kenne. Die Nacht scheint wie gemacht dafür, noch eine Flasche Wein zu köpfen, mit Gott und der Welt über Gott und die Welt zu plaudern. Für einen Moment ist es so, als gäbe es keine Pflichten, keine Normen und auch nichts Alltägliches. Als wäre das Leben ein unprätentiöses Fest an diesem wundersamen Platz am Millstätter See.