Die Pauschalreise ist das Unwort für Individualreisende. Auch Flashpacker haben ihre Probleme damit. Doch ist es wirklich so verwerflich, Flug & Hotel mit nur einem Klick zu buchen?
Kürzlich auf dem Münchner Flughafen: Treffpunkt mit meiner Schwester, um unsere berühmt-berüchtigte Kurztrip-Serie quer durch Europa fortzusetzen. Unsere Destination: Malta. Gemeinsam haben wir uns in den letzten Jahren in Amsterdam schon mit einer indischen Reistafel überessen, haben in Mallorca Auswanderungspläne geschmiedet, sind im selben Flugzeug wie Uschi Glas nach Alicante geflogen, wurden in Florenz von einem Exhibitionisten überrascht und in der Pariser Metro von einem alten Mann umarmt. Wir haben in Rom im unmöglichsten Hotel aller Zeiten übernachtet und auf der Fahrt mit der überfüllten U-Bahn in den Vatikan viel zu spät festgestellt, dass der Grund dafür der Ostersonntag gewesen sein könnte. Wir haben auf unseren eigentlich ganz unspektakulären Reisen also schon so einiges durchlebt.
Kofferanhänger – das gemeine Indiz einer Pauschalreise
Wenn ich mich so zurückerinnere, sind unsere ersten Trips schon mindestens so alt wie das Internet. Es war die Zeit, in der man in Internet-Cafés unbeholfen nach Flügen suchte und dann doch lieber in den Auslagen der Reisebüros nach Schnäppchen Ausschau hielt. Es war die Zeit, als das Wort „Last Minute“ richtig hip war und man irgendwo gehört hatte, dass man seinen Trolley packen und zum Flughafen fahren könnte, um am selben Tag zum Dumping-Preis in die Karibik zu fliegen. Es war die Zeit, in der man theatralisch ein querformatiges Büchlein ausgehändigt bekam – mit den Flugtickets und den Vouchers für Hotel und Transfer. Bunte Kofferanhänger waren meist auch noch drin. Das legte man feinsäuberlich zum Reisepass und zählte die Tage bis zum Abflug. Die Flüge waren abenteuerlich, weil man noch nicht so viel Erfahrung mit dem Fliegen hatte. Man hörte der Stewardess aufmerksam bei ihren Instruktionen zu und bewunderte den japanischen Geschäftsmann, der selbst bei schlimmsten Turbulenzen genüsslich im Tiefschlaf versank. Ja, so war das damals. Was das Reisen angeht, ist meine Schwester ein akribisches Organisationstalent. Sie weiß, ein Hospes, Golden Tulip oder Westin Hotel auf günstigste Weise mit einem Flug zu vernünftigen Zeiten zu verknüpfen und die Bahnfahrt zum Flughafen auch noch in den Preis zu integrieren. Und weil sie weiß, was sich aus Click & Mix rausholen lässt und jegliche Reiseleiter-Qualitäten locker in den Schatten stellt, genieße ich bei diesen Schwestern-Trips den Luxus, mich selbst um nicht allzu viel kümmern zu müssen.
Die Kunst, ein Pauschaltourist mit den Qualitäten eines Locals zu sein
Zurück zum Flughafen in München: Schwesterchen zieht das quietschgelbe Booklet mit den Reiseunterlagen aus der Tasche und überreicht mir einen ebenso quietschgelben Kofferanhänger. „Um Himmels willen, pack‘ das sofort wieder weg, wir sind doch keine Pauschaltouristen!“, rief ich im Affekt. Doch es war eben genau das: eine Pauschalreise, Flug und Hotel wurden ja schließlich zusammen gebucht. Zwischen Tomatensaft und ungenießbarem Sandwich philosophierte ich dann, was eigentlich so schlimm daran ist: Kann man eine Pauschalreise buchen und dennoch ein Flashpacker sein? Immerhin hatten wir uns den Transfer zu unserem „Boutiquehotel“ auf eigene Faust organisiert. An der Rezeption übergab man uns milde lächelnd ein Kuvert mit allen Reiseinformationen. Wie süß! Auf den darin angepriesenen Begrüßungscocktail haben wir glücklicherweise vergessen. Damit war das Thema Pauschalreise auch schon abgehakt und spätestens als wir die Aussicht von unserer Rooftop-Terasse testeten, fühlten wir uns schon wie selbstbewusste Individualreisende. Um das Pauschal-Gefühl zur Gänze abzustreifen, beschloss meine Flashpacker-Seele für eine Nacht in ein hübsches Designer-Appartment, das mir bei meiner aktuellen Lieblingsplattform Welcome Beyond entgegen strahlte, nach Valletta auszuweichen – ja, so gelingt die wundersame Wandlung vom Pauschaltouristen zum Local ganz geschmeidig! Wie abenteuerlustige Rebellinnen zogen wir mit unserem schwesterlich gepackten Weekender aus dem Hotel aus und stellten uns vor, wie sich die Putzfrau am nächsten Morgen freuen würde, weil sie die Betten nicht machen muss. Keiner würde einen Pauschaltouristen vermissen, bezahlt hat er ja schließlich schon.
Die individuellen Charaktereigenschaften einer Pauschalreise
Meine in Malta gewonnene Erkenntnis: Die Pauschalreise ist besser als ihr Ruf, zumindest solange man den verräterischen Kofferanhänger nicht an den Trolley hängt. Es kann eben schon mal passieren, dass Click & Mix einfach das bessere Angebot ausspuckt. Und selbst für den versierten Traveller ist es keine Todsünde, wenn man pauschal nach Mallorca fliegt. Wer vorgibt, auf der Baleareninsel das lebensverändernde Abenteuer zu suchen, hat ohnehin etwas falsch verstanden. Ende Mai fliege ich übrigens nach Griechenland. Ein sehr individuelles Yogaretreat auf Paros – und bestimmt keine Pauschalreise. Und dennoch – ich weiß nicht mehr, wie’s kam – ich habe nach langer Suche nach dem besten Preis auf irgendeinem Portal einen günstigen Flug gebucht, der mir ellenlange E-Mails von Thomas Cook bescherte. Das Wort „Pauschalreise“ kommt sogar in der E-Mail-Adresse vor und das PDF mit den Reisehinweisen bereitet mich schonend, aber deutlich darauf vor, dass ich weder auf Unterkunft noch auf Verpflegung oder Transferdienste hoffen soll. Wie süß! – denke ich erneut, als hätte ich das jemals im Sinn gehabt. Mich würde es nun nicht wundern, wenn die obligatorischen Kofferanhänger mit der Post demnächst bei mir eintreffen. Aber die kann man ja zum Glück immer noch elegant verschwinden lassen…