Auch Flashpacker machen Fehler. Da kann es schon mal passieren, dass man der Welt wissen lässt, man würde die Algarve von Ost nach West durchkreuzen, wo man doch schon längst im Alentejo weilt.
Ja, es ist DIE Algarve. Doch nein, es ist nicht DAS Alentejo, sondern DER Alentejo. Was soviel bedeutet wie „jenseits des Tejo“. Und genau dort befinde ich mich gerade. Schon seit 5 Tagen. Einen Tag hat es gedauert, bis ich das Prospekt auf dem kleinen Tisch am Eingang meines auserwählten B&Bs bemerkt habe. „Alentejo“ stand da in unübersehbar großen Lettern. An welcher Stelle hatte ich bloß so unbemerkt die Algarve hinter mir gelassen?
Die Anreise – von Tavira (im eindeutigen Osten der Algarve) über Faro, weiter über die Berge von Monchique und danach über ziemlich verlassene Serpentinen Richtung Westküste – ließ sich nichts anmerken, dass an irgendeiner Stelle eine Grenze überschritten worden wäre. Man hätte nachdenklich werden können – angesichts weitläufigerer Landschaften, kleinerer Dörfer und fehlender Touristengruppen. Ein bisschen so, als würde man von der Toskana nach Umbrien fahren.
Wenn die Algarve die Toskana wäre, dann wäre der Alentejo das Umbrien Portugals
Ein bisschen entrüstet schien mir David schon, dass ich sein als ‚Turismo Rural‘ deklariertes B&B an der naturgeschützten Costa Vicentina der Nachbarregion zugeordnet habe. Vor sieben Jahren ist er mit Maria und den Kindern aus Lissabon ins wunderschön abgelegene Nirgendwo gezogen. Weg von der stressigen Stadt, rein in die Natur. Auch zwei Hunde, ein Esel und ein paar Ziegen fühlen sich hier pudelwohl. Die Zimmer sind ein bisschen schlichter als in unserem letzten Domizil in Tavira (Rosarios liebevoll eingerichtete Zimmer im Monte do Àlamo sind einfach unübertroffen). Doch wenn sich jeden Morgen um 9 Uhr der rot lackierte Holztisch direkt vor der Terrassentür des Schlafgemachs wie von Zauberhand in eine üppig gedeckte Frühstückstafel verwandelt, muss man diesen Ort, der den Namen ‚Herdade da Estacada‘ trägt, wohl einfach lieben.
Vielleicht springt man vorher noch in den idyllischen Teich, in dem Fische mit kunstvollen Salti nach Fliegen schnappen. Auch eine Yogasession auf einem der kleinen Holzdecks am Ufer ist ein erprobt guter Start in den Tag. Kaffee plätschert in große Henkeltassen, der Windhund liegt ausgestreckt im Gras. Fast so als wollte er mit gutem Beispiel der Entspannung vorangehen. Der frischgebackene Kuchen duftet dort, wo auch das Wi-Fi am besten funktioniert: im großen Wohnzimmer.
Gastfreundschaft, so ehrlich und echt wie das Land selbst
Davids tiefe, meditative Stimme erhellt die Veranda der Quinta, deren schmuckloses, quaderförmiges Mauerwerk sich wie vielerorts perfekt in die Landschaft schmiegt. Seine Gastfreundschaft ist so echt und ehrlich wie das Land selbst. Kein übertriebenes Lächeln, wenn ihm nicht danach ist. Aber gerne reicht er kühles Bier samt guter Gespräche über den Alentejo, der einfach „so anders als die Algarve“ ist. Den Unterschied spürt selbst der Laie, wenn auch nicht sofort: Während sich in Tavira, östlich von Faro, die Nächte kaum ohne Klimaanlage überstehen lassen, hängt im Alentejo oft ein mystischer Nebel in der Luft. An manchen Tagen bläst selbst im August überraschend kalte Luft vom Atlantik über das Land. Die Westküste hat ihre Launen. Unser Gastgeber auch. Portugal mag man oder eben nicht. Hier ist alles authentisch, erdig und echt. Manchmal ein bisschen rau. Die Ecken und Kanten hört man bereits in der Sprache. Kein Verbiegen, kein Künsteln, keine Angeberei. Laut sind hier nur die Spanier, die sich im Nachbarland den Sommer vertreiben.
Ich mag die Küste Portugals, den Atlantik und den rauen Charme der Portugiesen, auch wenn ich als Vegetarier in diesem Land fast von Gott verlassen bin. Wären da nicht Ausnahmen wie das ‚Ritual‘ in Vila Nova de Milfontes mit seinen Gazpachos, Veggie-Burgern und Hummus mit sonnengetrockneten Tomaten, wäre ich den Wirten und ihren auf Schmierzetteln aufgeschriebenen Fischgerichten hilflos ausgeliefert. Doch selbst dann, wenn sie mir mit schulterzuckender Freundlichkeit eine Portion Chips und Salat (bestehend aus Tomaten, Zwiebeln und etwas Grünzeug) servieren, mag ich sie. Weil sie nicht vorheucheln, mich verstehen zu wollen. Weil es Stil haben kann, auf vergilbten Plastikstühlen zu sitzen, auf denen die Logos der Biersorten „Sagres“ und „Superbock“ aufgedruckt sind.
Auch wenn ich mich fast ausschließlich von Galaos, Käsetoast und Oliven ernähren muss, ist dieser Platz mein Lieblingsplatz in Europa. Wegen der Menschen, deren Sprache, die ich immer noch nicht verstehe, die aber dennoch allmählich den Weg in mein Ohr findet. Wegen der naturgewaltigen Küsten und des Atlantiks. Wegen der genialen Wellen und der wagemutigen Surfer, die hier so leben, wie man es selbst gerne täte, aber dennoch nicht wagen würde.
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[…] Alentejo hat eine völlig andere Energie als die liebliche Algarve. Das Leben hier ist rauher und weniger […]