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Yogaretreat auf Bali: 25 Yoga-Groupies, ein Guru namens Steve und die Insel der Götter

„Das Ego braucht Konflikte, um zu überleben. Auch wenn es in Wahrheit gar keinen Konflikt gibt, sorgt das Ego für ein bisschen Drama.“

Und schon wird mir klar, dass einzig und allein mein Ego daran schuld ist, dass ich mich – während ich mitten im Paradies am Pool sitze und meine Beine kleine Kreise im Wasser ziehen – über die Ameiseninvasion zur Linken und die Mosquito-Attacke zur Rechten ärgere. Eine Erkenntnis, die ich mit großer Wahrscheinlichkeit mit 25 weiteren Yogis teile, die alle gebannt einer Stimme lauschen. Eine Stimme, die große Lebensweisheiten in derart simple und greifbare Worte verpackt, dass man sich wundert, dass man nicht schon viel eher darauf gekommen ist. Die Rede ist von Steve Ross. Rockstar, Mönch und Yogi. Ein schillernder Charakter und der lebende Beweis, dass es so etwas wie Erleuchtung tatsächlich gibt.

Der kürzeste Weg zu sich selbst führt einmal um die Welt

Angereist aus allen Ecken der Welt – von Sydney bis London, von Toronto bis Antigua – scheint es fast schon Bestimmung zu sein, ausgerechnet hier in Bali zusammenzutreffen. Und auch wenn die Beweggründe, sich auf diese einzigartige Reise einzulassen, unterschiedlicher nicht sein könnten, gibt es nur eine Mission: ein Yogatraining fernab von allem Gewohnten und Vertrauten zu absolvieren, um sich dabei vielleicht selbst ein Stück näher zu kommen.

Panchoran Retreat – auf den Spuren von Eat, Pray, Love

Unser vierwöchiges Yoga-Dasein ist tatsächlich alles andere als alltägliche Routine. Das Panchoran Retreat mitten im balinesischen Dschungel nahe dem spirituellen Örtchen Ubud und Drehort des Hollywoodfilms Eat, Pray, Love ist unser neues Zuhause. Urwaldgeräusche, fast ohrenbetäubend, dass es einige Tage braucht, um sich daran zu gewöhnen. Wildromantische Bambushäuschen, versteckt zwischen Kokospalmen und Bananenblättern, die das Hervorkriechen am frühen Morgen aus den mit Mosquitonetzen bestückten Betten mit einer Regenwalddusche im Freien belohnen. Den Morgentau unter den Füßen begibt man sich im Morgengrauen auf die große hölzerne Terrasse zur Morgenmeditation, die nahtlos in die erste Yogastunde des Tages übergeht. Und es kostet mich anfangs große Überwindung, die kraftvollen Asanas und Flows unter der Leitung von Mac McHugh – ein waschechtes Chicago-Girl, das der Cirque de Soleil-Crew mit gutem Grund das Fürchten lehrte – ohne den Gedanken an Frühstück zu überstehen. Balinesisches Frühstück, das im Wesentlichen aus Früchten, Früchten und Früchten besteht. Dazu Ingwertee und von Hand geröstetes Müsli mit Honig. Der nicht endenden Frage nach Toast und Butter gibt das Küchenpersonal schließlich nach – ohne tatsächlich zu verstehen, was einem an dieser Kombination liegen kann.

Yoga, whatelse?

Nach zwei Wochen sind wir ein eingespieltes Team aus ambitionierten Yogis mit festem Tagesablauf. Zwischen „Downdog“ und „Cobra“ scheint die Welt irgendwo da draußen fast vergessen. Viel zu beschäftigt sind wir, die Essenz des Yoga in uns aufzusaugen. Der enthusiastische Unterricht einer unermüdlichen Mac lässt uns spüren, dass wir den richtigen Impulsen gefolgt sind, die uns auf diese Reise geschickt haben. Wir sind nicht länger Carly, Roman, Susann, Astrid, Paul, Kara oder Jayne. Wir sind eins. Auf und abseits der Yogamatte. Ein Gefühl der tiefen Verbundenheit, das uns durch dieses gemeinsame Abenteuer führt.  Wir schweigen. Wir lachen. Wir atmen. Wir meditieren. Wir verlieren uns in unserer täglichen Yogapraxis und freuen uns, erneut ein Stück unseres wahren Ichs gefunden zu haben. Wir unterrichten uns gegenseitig in kleinen Gruppen, spüren, beobachten, lernen voneinander. Bis zum Rand gefüllte Notizbücher und ein ebenso gefüllter Kopf. Doch es gilt, das Ego zu überlisten, Klarheit zu schaffen, sich aus alten Denkmustern zu befreien und das Großartige dahinter zu erkennen. Kann das so schwer sein, hier im Paradies?

Wo geht’s hier zur Erleuchtung?

Und gerade mittendrin und vertieft in das, was Yoga sein könnte, blicken wir in glasklare Augen und ein immerwährendes Lächeln, das sich ganz ohne Aufsehen unter unsere eingeschworene Yogi-Gruppe mischt. Den Besuch unseres renommierten Gastlehrers haben wir Mac zu verdanken, die uns ein Zusammentreffen mit ihrem persönlichen Lehrer und Yogawegbereiter nicht vorenthalten wollte. Und es scheint, als wäre Jetlag ein Fremdwort für Erleuchtete: Steve Ross, frisch angereist aus L.A., lässt uns die Gemeinsamkeiten von Yoga und purem Rock’n Roll mit Haut und Haaren spüren. Dynamische Flows, dazu Hiphop-Musik und Steves omnipräsentes Lächeln lassen mich ungeahnte Energien mobilisieren. Wann habe ich mich zum letzten Mal so erschöpft und doch so frei und glücklich gefühlt?

Glück. Was ist das? Frag’ doch Steve!

„Glücklich kann man nicht werden. Glücklich kann man nur sein.“ Und noch eine Weisheit aus dem Mund jenes Mannes, der als Gitarrist mit Bands wie Fleetwood Mac ebenso wie mit indischen Gurus meditierend um die Welt zog. „Atmung und Gedanken sind miteinander verbunden. Verlangsamst du deine Atmung, werden auch deine Gedanken langsamer. Die eigentliche Wirklichkeit passiert, wenn deine Gedanken verschwinden.“ Die Welt so simpel zu Füßen gelegt, stockt uns der Atem beim bloßen Zuhören. Doch sind es nicht nur die weise gewählten Worte, die aus einer bunt zusammengewürfelten Gruppe echte Yogi-Groupies werden lassen. Jeder Versuch, die besondere Aura, von der Steve umgeben ist, in Worte zu fassen, scheitert. Wir sind sprachlos, suchen nach Erklärungen und begnügen uns letztendlich damit, das Gefühl in der Gegenwart unseres Gurus erlebt zu haben und das Bedürfnis, es später jemanden erklären zu müssen, zu ignorieren. Und auch wenn ich kein Fan von Mantras und Chanting-Gesängen bin, bekomme ich doch Gänsehaut, wenn Steve nach seiner Gitarre greift und mit atemberaubender Stimme zeigt, das Rockstars die besseren Yogis sind.

Endspurt im Paradies: Wer hat das Zeug zum Yogalehrer?

„Wir bilden uns ein, unser Leben macht Sinn. Aber es gibt ihn nicht, diesen Sinn des Lebens. Das Leben ist nicht mehr als ein Spiel.“

Und in diesem Spiel heißt es Abschied nehmen vom berauschenden Charme und allumfassenden Wissen unseres liebgewonnenen Gurus. Mit kraftvoller Energie zeigt uns Mac, was Endspurt im Yogacamp bedeutet: Asanas in Einzelteile zerlegen, anatomische Hintergründe beleuchten, eine Yogastunde choreographieren, bei der Ausführung von Yogaübungen assistieren. Wir erhalten anschauliche Einblicke in den Yogalehrer-Alltag: Freu’ dich nicht, wenn viele Menschen in deine Yogastunde kommen und nimm’ es nicht persönlich, wenn keiner kommt. Denn als zukünftiger Yogalehrer stehst nicht du im Mittelpunkt. Vielmehr geht es darum, anderen zu Diensten zu sein. Anderen das erlebbar machen, was wir selbst erfahren durften – eine große Aufgabe und Verantwortung, der wir uns mehr und mehr bewusst werden.

Und schließlich kommt der ebenso ersehnte wie gefürchtete Moment, in dem jeder von uns seine erste Yogastunde unterrichtet. Ja, auch Yogis sind manchmal nervös. Doch was kann man sich besseres wünschen als zukünftige Lehrer, welche die perfekten Schüler mimen? Lächelnde Gesichter mit biegsamen Körpern, die sich ohne Umschweife zu Krieger, Krähe oder Halbmond überreden lassen. Und das an einem Ort, der dem Paradies sehr nahe kommt. Und so weicht die Nervosität im Angesicht des Regenwaldes schnell dem guten Gefühl, das eigene Glück mit fließenden Flows weiterzutragen. Yoga so überraschend vielfältig. Vielfältig wie unsere Persönlichkeiten, Wesensarten und Talente.

Dass das Glück auf Bali wohnt, lässt sich auch am letzten Abend nicht verleugnen.  Eine lange mit Blüten dekorierte Tafel, Kerzen und Fackeln, die ihren Beitrag zur Erleuchtung in dieser letzten Nacht im Dschungel leisten. Und: die feierliche Übergabe unserer Zertifikate, die Mac mit ihrer unnachahmlichen Art mit persönlichen Worten für jeden Einzelnen krönt. Fröhliche, zufriedene Gesichter und ein Wir-Gefühl von unbändiger Stärke, dem auch die Tatsache, dass diese Reise der Erkenntnis nun ein Ende hat, nichts anhaben kann. Was bleibt, ist das Glück, das längst darauf gewartet hat, entdeckt zu werden und unsere Leidenschaft für etwas, das uns für immer verbindet.

Ein Beitrag für www.yogarelations.com

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3 comments

  1. liebe jeanette, ich interessiere mich sehr für das ytt, das du gemacht hast! darf ich dir bitte ein paar fragen dazu stellen? würde mich freuen, von dir zu lesen! schön, dass ich auf deinen blog gestoßen bin! namasté! flora

    1. Liebe Flora,

      da werde ich oft gefragt und muss leider immer wieder sagen: Das gibt es in dieser Form nicht mehr, es war einmalig mit all diesen Erfahrungen, Erlebnissen und Menschen. Auch die Zusammenstellung meiner Lehrer war eine einzelne glückliche Begebenheit. Der Eat.Pray.Love-Drehort, das Panchoran-Retreat, wurde mittlerweile an Richard Branson verkauft und ist nicht mehr zugänglich. Bali würde ich dir aber generell für Yoga und ein TT jederzeit empfehlen!

  2. […] dieses Blogs!) die Kombination aus Yoga & Reisen für mich entdeckt habe und 2011 mein Yogateachertraining auf Bali absolviert habe. Mein erstes Retreat war bei Bryan Kest in Portugal. Und ich habe diesen Begriff […]